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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Inanspruchnahme von Physiotherapie bei Arthrosepatienten in Deutschland – Eine Analyse von Krankenkassenabrechnungsdaten und einer Versichertenbefragung (Projekt PROCLAIR)

Meeting Abstract

  • Hannes Jacobs - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Johanna Callhoff - Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Programmbereich Epidemiologie, Berlin, Deutschland
  • Katinka Charlotte Albrecht - Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Programmbereich Epidemiologie, Berlin, Deutschland
  • Anne Postler - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, UniversitätsCentrumfür Orthopädie und Unfallchirurgie, Dresden, Deutschland
  • Joachim Saam - BARMER, Abteilung Medizin & Versorgungsforschung, Wuppertal, Deutschland
  • Toni Lange - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, UniversitätsCentrumfür Orthopädie und Unfallchirurgie, Dresden, Deutschland
  • Jens Goronzy - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, UniversitätsCentrumfür Orthopädie und Unfallchirurgie, Dresden, Deutschland
  • Klaus-Peter Günther - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, UniversitätsCentrumfür Orthopädie und Unfallchirurgie, Dresden, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf456

doi: 10.3205/20dkvf456, urn:nbn:de:0183-20dkvf4566

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Jacobs et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Arthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung und eine der Hauptursachen für Einschränkungen bei älteren Erwachsenen. Physiotherapie (PT) wird insbesondere in der Anfangsphase als eines der Schlüsselelemente des Arthrose-Managements angesehen und ist besonders hilfreich, um Schmerzen zu lindern und das Bewegungsausmaß zu erhalten. Daten zur Verschreibungshäufigkeit von PT bei Patienten mit Arthrose sind jedoch rar und variieren je nach Studie.

Fragestellung und Zielsetzung: Wie häufig wird PT bei Arthrosepatienten in Deutschland in Anspruch genommen und von welcher Facharztgruppe wird diese verschrieben? Weiterhin sollen Prädiktoren für die Anwendung der PT unter Berücksichtigung soziodemografischer und krankheitsbedingter Faktoren untersucht werden.

Methode oder Hypothese: Für diese Querschnittsstudie wurden aus Krankenkassenabrechnungsdaten alle Personen identifiziert, die 2013 und 2014 durchgängig versichert waren und 2014 in mindestens zwei Quartalen eine ambulante Hüft-, Knie- oder Polyarthrose aufwiesen (n=657.807). 2016 wurden einer nach Alter, Geschlecht und ICD-10-GM Diagnose stratifizierten Stichprobe (n=8.995) ein Fragebogen, u.a. zu krankheitsrelevanten und soziodemografischen Parametern, zugeschickt. Die Krankenkassendaten des Jahres 2016 umfassten die Verschreibungshäufigkeit und den PT-Typ sowie den verschreibenden Facharzt und wurden mit den Fragebogendaten verknüpft. Eine multivariable logistische Regression wurde durchgeführt, um Variablen zu bestimmen, die mit der Nutzung von PT assoziiert sind.

Ergebnisse: 3.564 (40%) Personen (69% weiblich; Durchschnittsalter 66,5 Jahre) füllten den Fragebogen aus und stimmten der Verknüpfung von Fragebogen- und Krankenkassendaten zu. 50% der Studienpopulation erhielten im Jahr 2016 mindestens einmal PT und Frauen öfter als Männer (53% vs. 43%). Am häufigsten wurde PT von Orthopäden (45%) und Allgemeinärzten (32%) verschrieben. Die multivariable logistische Regression zeigte, dass weibliches Geschlecht, ein höheres Haushaltseinkommen, das Vorliegen einer Hüft- und Kniearthrose, ein niedrigerer Funktionsstatus, eine höhere Krankheitsaktivität sowie Personen aus den östlichen Bundesländern mit einer erhöhten Inanspruchnahme von PT assoziiert waren.

Diskussion: Verglichen mit früheren Studien war die Verordnungshäufigkeit von PT in unserer Studie hoch. Dennoch erhielten Männer und Personen mit einem geringeren Haushaltsnettoeinkommen seltener PT sowie ein Drittel der Patienten mit hohen Funktionseinschränkungen und/oder hoher Krankheitsaktivität keine PT.

Praktische Implikationen: Vor dem Hintergrund der aktuellen OA-Managementrichtlinien besteht ein großes Verbesserungspotenzial bei der Verschreibung von PT bei Patienten mit Arthrose, insbesondere bei vulnerablen Patientengruppen.