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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Der Zusammenhang zwischen körperlichen Erkrankungen und versuchtem oder vollendetem Suizid: eine Fall-Kontroll-Studie

Meeting Abstract

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  • Karel Kostev - IQVIA, Epidemiologie, Frankfurt am Main, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf429

doi: 10.3205/20dkvf429, urn:nbn:de:0183-20dkvf4294

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Kostev.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Jedes Jahr sterben rund 800.000 Menschen auf der ganzen Welt an Selbstmord. Selbstmord ist weltweit für 1,4% der vorzeitigen Todesfälle verantwortlich und die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser Studie war es, mögliche Zusammenhänge zwischen körperlichen Erkrankungen und versuchtem oder vollendetem Suizid zu untersuchen.

Methode oder Hypothese: Diese Fall-Kontroll-Studie umfasste Patienten im Alter von 16 bis 90 Jahren mit einem ersten versuchten oder vollendeten Suizid, die zwischen Januar 2008 und Dezember 2017 (Indexdatum) in Hausarztpraxen im Vereinigten Königreich behandelt worden waren. Personen, die keinen Selbstmordversuch unternommen oder einen Suizid vollendet hatten, wurden nach Geschlecht, Alter, Indexjahr, Indexmonat und Praxis 1:1 Personen zugeordnet, die einen Selbstmordversuch unternommen oder einen Suizid vollendet hatten. Zu den in der Studie berücksichtigten Variablen gehörten Geschlecht, Alter, Indexjahr, Indexmonat und alle körperlichen und psychiatrischen Erkrankungen, die bei mehr als 1% der Patienten diagnostiziert worden waren, die im Jahr vor dem Indexdatum einen Selbstmordversuch unternommen oder einen Suizid vollendet hatten. Eine multivariate logistische Regressionsanalyse wurde durchgeführt, um mögliche Assoziationen zu identifizieren.

Ergebnisse: Die Fall-Kontroll-Studie umfasste 4.676 Patienten mit und 4.676 Patienten ohne versuchten oder vollendeten Suizid. Nach der 1:1 Zuordnung waren 52,1% der Patienten Frauen und das mittlere Alter (Standardabweichung) betrug 33,6 (15,1) Jahre. Nach Bereinigung um psychiatrische Erkrankungen stellten wir fest, dass drei im Jahr vor dem Selbstmordversuch diagnostizierte körperliche Erkrankungen signifikant mit einem versuchten oder vollendeten Suizid assoziiert waren. Diese Erkrankungen waren nicht näher bezeichnete Verletzungen des Kopfes (Odds Ratio [OR]=4,26, 95% Konfidenzintervall [KI]=2,27-8,00), Schlafstörungen (OR=1,60, 95% KI=1,09-2,32) und Epilepsie (OR=1,57, 95% KI=1,04-2,39).

Diskussion/Schlussfolgerung: Kopfverletzungen, Schlafstörungen und Epilepsie waren mit versuchtem oder vollendetem Suizid assoziiert.

Praktische Implikationen: Basierend auf den Studienergebnissen sollte bei der Identifizierung von besonders suizidgefährdeten Patienten das Auftreten körperlicher Erkrankungen nicht übersehen werden. Darüber hinaus zeigen diese Ergebnisse deutlich, dass der Umgang mit körperlichen Erkrankungen nicht nur wichtig ist, um mögliche Komplikationen der betreffenden Erkrankung zu vermeiden, sondern auch, um suizidales Verhalten und Suizide zu verhindern. Zu guter Letzt erfordert der korrekte Umgang mit körperlichen Erkrankungen bei Menschen mit einem hohen Suizidrisiko einen guten Dialog zwischen Hausärzten, Fachärzten (z. B. Neurologen) und psychiatrischen Fachkräften (z. B. Psychiatern). Es sind weitere Studien notwendig, um die Mediatoren zu untersuchen, die an den Assoziationen zwischen körperlichen Erkrankungen und Selbstmord beteiligt sind.