gms | German Medical Science

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Leitstellen-basierte Erkennung von Schlaganfall-Patienten für eine Thrombektomie und daraufhin abgestimmte Optimierung der Rettungskette

Meeting Abstract

  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Florian Schuchardt - Klinik für Neurologie und Neurophysiologie, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Jochen Brich - Klinik für Neurologie und Neurophysiologie, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf405

doi: 10.3205/20dkvf405, urn:nbn:de:0183-20dkvf4050

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Farin-Glattacker et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Weltweit stellen Schlaganfälle die häufigste Ursache für eine schwerwiegende Behinderung und die zweithäufigste Todesursache im Erwachsenenalter dar. Bei großen Thromben, die zu Verschlüssen der großen hirnversorgenden Blutgefäße führen (sog. Large Vessel Occlusion, LVO) wurde seit 2015 die hohe Effektivität der mechanischen Thrombektomie (MT) in Kombination mit der Thrombolyse bestätigtet. Diese Therapie zeigt bei zeitnaher Durchführung in spezialisierten Zentren die besten Ergebnisse, so dass eine frühe Erkennung der Patienten mit LVO essentiell ist. Die schnelle Zuweisung der Patienten zur interventionellen Therapie ist wegen der oft großen Entfernung zu neurovaskulären Zentren derzeit eine große Herausforderung. Die innovative Idee des Projekts besteht darin, in diesen Prozess Notfallmeldende vor Ort einzubeziehen, die von der Leitstelle mit dem Ziel der angeleiteten Erkennung eines Schlaganfalls bei LVO instruiert werden.

Fragestellung und Zielsetzung: Die primäre Hypothese ist, dass Schlaganfallpatienten mit LVO nach Umsetzung der Intervention durch die schnelleren Abläufe ein besseres klinisches Outcome erreichen, erfasst als geringere Behinderung und Einschränkung der Alltagsaktivitäten.

Sekundäre Hypothesen sind:

  • Durch die Anwendung eines neu entwickelten telefonischen Abfrage-Algorithmus wird ein LVO mit großer Sicherheit erkannt.
  • Die Zeit vom Notrufeingang bis zum Beginn der Interventionen (Thrombolyse und MT) verkürzt sich.
  • Der Vorteil der Intervention bestätigt sich auch in einer Kosten-Effektivitätsanalyse.
  • Die an der Intervention Beteiligten (inkl. Notfallmeldende) bewerten das Vorgehen als nützlich, machbar und routinetauglich.

Methode: Im Projekt werden drei Arbeitspakete mit unterschiedlichen Methoden umgesetzt: Im Arbeitspaket 1 erfolgen Entwicklung und prospektive Validierung des neuen LVO-Scores unter der Bedingung der Anwendbarkeit am Telefon bei Erstmeldung in der Leitstelle. Ferner soll der Score auch als „Mobile App“ programmiert werden. Bei der Datenanalyse werden quantitativ-statistische Methoden zur Bestimmung methodischer Gütekriterien eingesetzt.

Im Arbeitspaket 2 erfolgt eine kontrollierte clusterrandomisiertes Studie (Stepped Wedge Design, N=250). Die neue Intervention wird mit dem bisherigen Standardvorgehen (eintreffender Notarzt legt die Rettungskette nach eigener Einschätzung und dem regional abgestimmtem Vorgehen fest) verglichen. Die statistische Datenanalyse beinhaltet ordinale logistische Regressionen mit Adjustierung relevanter Confounder. Arbeitspaket 3 umfasst einen prozessevaluativen qualitativen Studienteil.

Diskussion und praktische Implikationen: Bei erfolgreicher Evaluation und anschließender routinemäßiger Implementierung könnten Schlaganfallpatienten mit LVO wirksamer behandelt werden, so dass mittelfristig Lebensqualität und Funktionsfähigkeit im Alltag in höherem Maße erhalten blieben. Wir sehen in dem Projekt eine Fortsetzung der Einbeziehung des Laien und Stärkung seiner Rolle in der frühen Diagnostik und Therapieeinleitung von Notfallpatienten, so wie bereits mit der “Telefonreanimation” begonnen.