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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Partizipative Entscheidungsfindung, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit bei Patientinnen mit gynäkologischen Malignomen nach operativer Therapie – eine explorative Pilotstudie

Meeting Abstract

  • Dorothea Kesztyüs - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
  • Iris Gervens - Institut für Medizinische Systembiologie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
  • Norbert Marschner - Praxis für interdisziplinäre Onkologie und Hämatologie, Freiburg
  • Dirk Watermann - Frauenklinik, Evangelisches Diakoniekrankenhaus, Freiburg
  • Roland Rein - Gynäkologie, Kreiskrankenhaus Emmendingen, Emmendingen, Deutschland
  • Anne Barzel - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
  • Tibor Kesztyüs - Institut für Medizinische Informatik, Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf379

doi: 10.3205/20dkvf379, urn:nbn:de:0183-20dkvf3795

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Kesztyüs et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Partizipative Entscheidungsfindung (PEF; englisch: Shared decision-making, SDM) gilt als Qualitätsindikator der medizinischen Versorgung. Es gibt Hinweise aus der Literatur, dass der Entscheidungsfindungsprozess für die Patientenzufriedenheit ebenso bedeutsam ist wie die gewählte Behandlungsform.

Fragestellung und Zielsetzung: Besteht ein Zusammenhang zwischen PEF bezüglich operativer Therapie und Patient-Reported Outcomes (PROs) wie gesundheitsbezogener Lebensqualität (Health-related quality of life, HRQoL) und Behandlungszufriedenheit bei Patientinnen mit gynäkologischen Malignomen?

Methode oder Hypothese: Fragebogenstudie im Querschnittdesign von 10/2018 bis 11/2019 in einer interdisziplinären Praxis für Onkologie und Hämatologie in Freiburg, der Frauenklinik des Diakonie Krankenhauses in Freiburg und der Abteilung für Gynäkologie des Kreiskrankenhauses in Emmendingen, Baden-Württemberg. Die Datenerhebung erfolgte mittels für die PEF und PROs validierter Instrumente (SDM-Q-9, EQ-5D VAS, FIPS). Zielgruppe waren Patientinnen mit gynäkologischen Malignomen, deren erste operative Therapie weniger als 12 Monate zurücklag. Für bivariate Zusammenhänge wurde der Korrelationskoeffizient nach Pearson berechnet.

Ergebnisse: Die Teilnehmerinnen (n=104) waren im Mittel 60,7±11,9 Jahre alt. Mammakarzinom war die häufigste Diagnose (77%) vor Ovarial- und Endometriumkarzinom (23%). Die PEF lag im Schnitt bei 76,7±22,1 (Skala von 0-100), die Behandlungszufriedenheit bei 2,0±0,7 (Noten von 1-6) und die HRQoL bei 66,2±17,5 (Skala von 0-100). In der Korrelationsanalyse zeigte sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen PEF und Behandlungszufriedenheit (r=0,133, p=0,214, n=88) oder HRQoL (r=-0,052, p=0.668, n=89). Eine besser benotete Patientenzufriedenheit korrelierte signifikant mit einer höheren HRQoL (r=-0,354, p<0,001, n=93).

Diskussion: Im Vergleich zur gefundenen Literatur liegt die PEF im oberen Bereich, die Behandlungszufriedenheit wird gut beurteilt. Verglichen mit anderen Untersuchungen der VAS bei Krebspatient*innen liegt die HRQoL im Mittelfeld. Für die fehlende Korrelation zwischen PEF und HRQoL sowie Behandlungszufriedenheit gilt „absence of evidence is not evidence of absence“. Gründe für den fehlenden Nachweis könnten in der kleinen Stichprobe und dem Vorhandensein verschiedener, nicht berücksichtigter Confounder, wie etwa Bildungsgrad oder Heterogenität der Stichprobe bezüglich Diagnose und Erhebungszeitpunkt, liegen. Der fehlende Zusammenhang sollte in größeren Studien untersucht werden. Die Korrelation von HRQoL mit Behandlungszufriedenheit weist auf die psychologische Dimension der HRQoL hin, wenn man Gesundheit und Krankheit als biopsychosoziales Konstrukt betrachtet.

Praktische Implikationen: Die Einbeziehung von Patientinnen mit gynäkologischen Malignomen in die Entscheidungsfindung des operativen Vorgehens sollte medizinischer Standard sein. Auch ohne vorliegenden Nachweis eines Zusammenhangs ist ein Einfluss der PEF auf die Behandlungszufriedenheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität nicht auszuschließen.