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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Psychosoziale Aspekte eines Lebervorsorgescreenings in Rheinland-Pfalz und im Saarland

Meeting Abstract

  • Urs Fichtner - Institut für medizinische Biometrie und Statistik, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Anita Arslanow - I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland; Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, Deutschland
  • Albert Beyer - Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen (bng), Ulm, Deutschland
  • Harald Binder - Institut für medizinische Biometrie und Statistik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Lioudmila Bogatyreva - Institut für medizinische Biometrie und Statistik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Tobias Engelmann - Interdisziplinäres Zentrum Klinische Studien, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Reyn van Ewijk - Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland
  • Peter R. Galle - I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Erika Graf - Institut für medizinische Biometrie und Statistik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Franz Josef Heil - Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen (bng), Ulm, Deutschland
  • Johannes Jäger - Zentrum Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät, Universität des Saarlandes, Homburg, Deutschland
  • Frank Lammert - Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, Deutschland
  • Dagmar Mainz - Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen (bng), Ulm, Deutschland
  • Marc Nguyen-Tat - I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland; Innere Medizin II, Klinikum Osnabrück, Osnabrück, Deutschland
  • Julia Ortner - Lehrstuhl für Controlling, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland
  • Matthias Reichert - Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, Deutschland
  • Barbara Römer - Hausärzteverband Rheinland-Pfalz e.V., Koblenz, Deutschland
  • Dominikus Stelzer - Institut für medizinische Biometrie und Statistik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
  • Louis Velthuis - Lehrstuhl für Controlling, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland
  • Sara Volz-Willems - Zentrum Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät, Universität des Saarlandes, Homburg, Deutschland
  • Marcus-Alexander Wörns - I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Gudula Zimper - Saarländischer Hausärzteverband e.V., Wallerfangen, Deutschland
  • Burkhard Zwerenz - Hausärzteverband Rheinland-Pfalz e.V., Koblenz, Deutschland
  • Erik Farin-Glattacker - Institut für medizinische Biometrie und Statistik; Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf373

doi: 10.3205/20dkvf373, urn:nbn:de:0183-20dkvf3730

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Fichtner et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Rahmen des Projekts „Strukturierte Früherkennung einer Asymptomatischen Leberzirrhose in Rheinland-Pfalz und im Saarland“ (SEAL) wird ein neuartiges Screeningverfahren erprobt. Dabei werden in der hausärztlichen Versorgung Laborwerte bestimmt, die einen Frühindikator für das Vorliegen einer Leberzirrhose bilden. Im Falle eines erhöhten Wertes erfolgt eine Weiterleitung in fachärztliche Behandlung oder in ein Leberzentrum.

Zielsetzung: Falsch-positive Testergebnisse können einen starken Einfluss auf das psychosoziale Wohlbefinden haben. Dies äußert sich z.B. in erhöhter Angst, Depressivität oder Stress bis hin zu suizidalen Gedanken. Weiterhin können Verhaltensmodifikationen auftreten, die sowohl positiv (bewussterer Lebensstil, präventives Verhalten) als auch negativ (exzessiver Lebensstil) ausfallen. Eine angemessene Patientenaufklärung, Gesundheitskompetenz sowie ein gutes Arzt-Patientenverhältnis mit umfassender Beratung spielen dabei eine wichtige Rolle zur Einordnung der Bedeutung einer möglichen Erkrankung für die Betroffenen. Die vorliegende Studie hat zum Ziel, mögliche psychosoziale Folgen des SEAL-Programms qualitativ zu explorieren.

Methode: Im Zeitraum Juni 2018 bis Mai 2019 wurden alle bis dato weitergeleiteten Patientinnen und Patienten (n=158) eingeladen, an einem leitfadengestützten teilstrukturierten qualitativen Interview teilzunehmen. Es wurden mit elf Personen (Rücklaufquote 7%) Telefoninterviews geführt. Mit vier Personen erfolgte ein erneutes Gespräch nach dem Besuch des Facharztes, sodass insgesamt Datenmaterial von 4,5 Std. gewonnen werden konnte.

Ergebnisse: Die transkribierten Interviews wurden mithilfe eines deduktiv-induktiven Verfahrens inhaltsanalytisch nach Mayring codiert, sodass abschließend acht Oberkategorien und 25 Unterkategorien definiert wurden. Die elf Patientinnen (82%, Altersmedian 72 J.) und Patienten (18%, Altersmedian 60 J.) wiesen mehrheitlich Komorbidität auf. Darunter wurden Bluthochdruck (n= 6), Diabetes (n=4), Krebserkrankungen (n=2) und Herzinfarkte (n=2) genannt. 36% der Befragten gab an, negative Gefühle im Rahmen des SEAL-Programms zu haben. Diese schienen aber weitestgehend kurzfristig zu sein. 64% gab an, sich keine größeren Sorgen zu machen.

Diskussion: Auffallend ist, dass einigen Befragten der Inhalt und ihre Teilnahme an der Studie nicht bewusst waren. Gründe hierfür sind eingeschränkte Gesundheitskompetenz (n=6) sowie aus ihrer Sicht unbefriedigende Arzt-Patienten-Kommunikation (n=5). Ein Großteil der Interviewten (n=7) gab an, soziale Unterstützung gesucht zu haben, einerseits zur Bewältigung der emotionalen Belastung, andererseits auch als externe Informationsquelle. Durch umfangreiche Information könnte vermieden werden, dass sich Betroffene externe Informationsquellen suchen und dadurch Gefahr laufen, Falschinformationen aufzunehmen.

Implikationen: Zur Reduktion negativer psychosozialer Folgen von Screenings ist eine enge Arzt-Patienten-Kommunikation auf einer starken Vertrauensbasis mit ausreichenden Informationen ein ausschlaggebender Faktor. Dieser wird vor allem dann wichtig, wenn niedrige Gesundheitskompetenz der Betroffenen vorliegt.