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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Entwicklung, Pilotierung und Evaluation eines Evidenzbasierten Aufklärungsbogens zum Thema Knie-TEP (EvAb-Pilot)

Meeting Abstract

  • Alina Weise - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Private Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland
  • Julia Lühnen - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Stefanie Bühn - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Private Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland
  • Henning Rosenau - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Anke Steckelberg - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
  • Tim Mathes - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Private Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf311

doi: 10.3205/20dkvf311, urn:nbn:de:0183-20dkvf3110

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Weise et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In Deutschland müssen alle Patient*innen vor der Einwilligung zu einem medizinischen Eingriff von ihren Ärzt*innen angemessen aufgeklärt werden. Regelhaft werden Aufklärungsbögen genutzt, um das Arzt-Patienten-Gespräch zu unterstützen und zu dokumentieren. Studien haben gezeigt, dass aufgrund der hohen Haftungsrisiken der Ärzt*innen für Behandlungsfehler oftmals eine risikozentrierte Aufklärung im Vordergrund steht. Eine informierte Entscheidung wird, wenn überhaupt zu wenig unterstützt. Zudem kann sich die Art der Darstellung von Risiken einer Behandlung auf die Angst von Patient*innen und den Nocebo-Effekt auswirken.

Fragestellung und Zielsetzung: Das primäre Ziel dieser Studie ist es zu untersuchen, ob evidenzbasierte Aufklärungsbögen (EvAb) für die Operation und Anästhesie am Beispiel des Kniegelenkersatzes diese Defizite ausgleichen, d.h. die Risikoeinschätzung verbessern und die Angst der Patient*innen vor Komplikationen sowie die Anzahl an tatsächlich auftretenden unerwünschte Ereignissen (UEs) bzw. Nocebo-Effekt, reduzieren.

Methoden: Die Aufklärungsbögen werden basierend auf den Erkenntnissen der Risikokommunikationsforschung, der Noceboforschung und der EBM entwickelt. Insbesondere sollen die folgenden Prinzipien Anwendung finden:

  • Beschreibung nur von indikationsrelevanten Komplikationen und UEs.
  • Angabe des Anteils an Personen, die keine Komplikationen/UEs hatten.
  • Falls möglich, Angabe der Differenz der Komplikationen/UEs im Vergleich zu Placebo.

Die Darstellungen und Formulierungen in den EvAb richten sich nach der Leitlinie zur Erstellung evidenzbasierter Gesundheitsinformation. Parallel und mit der Entwicklung der Aufklärungsbögen laufend rückgekoppelt erfolgt eine umfassende Auswertung von Rechtsprechung und Literatur zu den rechtlichen Anforderungen an die Aufklärung. Als Kontrolle dient die Routine-Aufklärung anhand von Standard-Aufklärungsbögen. Die Verbesserung der Versorgung wird anhand patientenorientierter Endpunkte gemessen. Zum Vergleich der EvAb mit den Standard-Aufklärungsbögen wird eine Interrupted-Time-Series Studie durchgeführt. Es ist geplant, 110 Probanden vor und 110 Probanden nach Einführung der Intervention im Krankenhaus einzuschließen.

Begleitend wird eine qualitative Vorstudie zur Exploration der Informationsstrukturen und eine Prozessevaluation durchgeführt.

Diskussion der zu erwartenden Ergebnisse: Durch eine evidenzbasierte, verständliche und auf Vermeidung von verzerrter Risikodarstellung ausgerichtete Präsentation von Risiken in EvAb könnte die Kompetenz der Patient*innen zur korrekten Einschätzung der Risiken des Eingriffes gestärkt werden. Dadurch könnten negative Erwartungshaltungen, Ängste vor UEs und das Auftreten des Nocebo-Effekts reduziert werden. Zugleich kann die Akzeptanz einer solchen, rechtlich abgesicherten Aufklärung in der Ärzteschaft gestärkt werden.

Praktische Implikationen: Es besteht bereits Kontakt zu Verlagen, die Aufklärungsbögen erstellen. Sollte diese Studie Hinweise für positive Effekte auf die Versorgung liefern, ist daher die Voraussetzung gegeben, weitere EvAb für andere Indikationen zu erstellen.