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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Tapentadol versus klassische WHO-III Opioide: begleitende Verordnung von Laxantien und Protonenpumpenhemmern. Eine repräsentative, matched-pairs GKV-Datenanalyse

Meeting Abstract

  • Kai-Uwe Kern - Institut für Schmerzmedizin, Schmerzpraxis Wiesbaden, Wiesbaden, Deutschland
  • Tino Schubert - LinkCare GmbH, Stuttgart, Deutschland
  • Tobias Vogelmann - LinkCare GmbH, Stuttgart, Deutschland
  • Thomas R. Tölle - Neurologische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar/Technische Universität München, München, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf307

doi: 10.3205/20dkvf307, urn:nbn:de:0183-20dkvf3075

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Kern et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Starke Opioide sind eine Therapieoption zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen. Eine langfristige Gabe ist gemäß nationaler Versorgungsleitlinie möglich, wenn unter einer zeitlich befristeten Therapie eine relevante Reduktion der Schmerzen bei geringen Nebenwirkungen eintritt. In mehreren klinischen Studien zeigte Tapentadol ein besseres gastrointestinales Verträglichkeitsprofil als Oxycodon und Morphin, wobei unklar ist, ob sich dieser Vorteil auch in der Versorgungsrealität gegenüber WHO-III-Opioiden zeigt.

Fragestellung und Zielsetzung: Diese Studie zielte darauf ab, Tapentadol und andere WHO-III-Opioide in der Versorgungsrealität zu vergleichen. Primärer Zielparameter waren Verordnungen von Laxantien und Protonenpumpenhemmern (PPI) als Marker für das gastrointestinale Verträglichkeitsprofil in Sekundärdaten.

Methode oder Hypothese: Diese Kohortenstudie nutzte die InGef-Forschungsdatenbank, einen anonymisierten repräsentativen Datensatz von vier Mio. gesetzlich krankenversicherten Personen. Patienten mit der Diagnose Rückenschmerz (ICD-10 M40-M54) im Jahr 2015 und je mind. zwei Verordnungen von Tapentadol oder anderer WHO-III-Opioiden innerhalb von 90 Tagen wurden eingeschlossen. Patienten mit onkologischen Erkrankungen wurden ausgeschlossen. Als Matching-Parameter wurden Alter, Geschlecht, Vorbehandlung mit WHO-I-/WHO-II-Präparaten oder Gabapentin/Pregabalin verwendet. Mittels logistischer Regression wurden propensity scores aus häufigen und ausgewählten Komorbiditäten und Vorjahreskosten geschätzt und ebenfalls als Matchingparameter verwendet. Primäre Endpunkte waren die Verordnungen und durchschnittliche definierte Tagesdosen (DDD) von Laxantien (ATC A06A) und PPI (ATC A02BC). Die Nachbeobachtungszeit betrug max. zwei Jahre und endete drei Monate nach der letzten Verordnung oder einem Wechsel der Studienmedikation oder mit dem Tod.

Ergebnisse: In beide Gruppen wurden je 227 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 67,4 Jahren eingeschlossen. Die Gruppen unterschieden sich nach dem Matching nicht signifikant in Bezug auf Alter, Geschlecht, Vorbehandlung, Komorbiditäten oder Vorjahreskosten. Laxantien-Verordnungen lagen bei 20% (n=46) und 37% (n=84) der Patienten in der Tapentadol-Gruppe resp. der klassischen WHO-III-Gruppe vor (p<0,0001). Die durchschnittliche Dosierung der Laxantien betrug 26,4 DDD resp. 82,5 DDD (p<0,0001). 55% (n=125) der Patienten in der Tapentadol und 73% (n=166) in der klassischen WHO-III-Gruppe erhielten PPI (p<0,0001).

Diskussion: Gastrointestinale Beschwerden führen oftmals zu einer starken Beeinträchtigung der Betroffenen. Der reduzierte Bedarf an Laxantien und PPI könnte daher ein Hinweis auf eine Verbesserung der Lebensqualität sein.

Praktische Implikationen: Tapentadol ist nicht nur in medizinischen Studien, sondern auch in Verordnungsdaten anderen WHO-III-Opioiden hinsichtlich des gastrointestinalen Verträglichkeitsprofils erkennbar überlegen und führt zu weniger Begleitmedikation bei Patienten. Dieses Verträglichkeitsprofil sollte im Therapiemanagement und der Patientenaufklärung einen adäquaten Stellenwert einnehmen.