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Praxisrelevanz einer Entscheidungshilfe für eine proaktive Palliativversorgung älterer Menschen in der hausärztlichen Praxis – Erste Ergebnisse eines partizipativen Interventionsprojekts
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Begleitung älterer Menschen am Lebensende wird wesentlich durch Hausärzt*innen getragen. Das Erkennen von palliativem Versorgungsbedarf ist besonders bei Patient*innen mit nicht-malignen chronischen Erkrankungen schwierig.
Fragestellung und Zielsetzung: Im Mittelpunkt der Interventionsstudie stand die Frage, ob die Integration einer Entscheidungshilfe in die hausärztliche Praxis das Erkennen von palliativem Versorgungsbedarf und Einleiten palliativer Maßnahmen unterstützt.
Methode oder Hypothese: Nach Diskussion international erprobter Instrumente [1] in zwei multiprofessionellen Workshops wurde von den beteiligten Praxisteams, Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe und Patientenvertreter*innen das Supportive and Palliative Care Indicators Tool (SPICTTM) ausgewählt. Es umfasst allgemeine und spezifische Indikatoren, die auf palliativen Versorgungsbedarf hinweisen können. Vereinbart wurde die anlassbezogene Nutzung von SPICT-DETM durch die beteiligten Hausärzt*innen (n=13) für ältere Patient*innen (70+) mit chronischen progredienten Erkrankungen. Dokumentiert wurden zutreffende SPICT-Indikatoren und angezeigte Maßnahmen. Zur Einschätzung der Praxisrelevanz erfolgt eine Nacherhebung 6 Monate nach Studieneinschluss der Patient*innen. Vorgestellt werden Ergebnisse der bisher von 9 Hausärzt*innen vorliegenden Nacherhebungsdaten für die in den ersten 6 Monaten der Interventionsphase eingeschlossenen Patient*innen. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse: Insgesamt wurde SPICT-DETM in den ersten 6 Monaten bei 99 Patient*innen (weiblich: 56; Alter: 70 bis 96 Jahre) als Entscheidungshilfe genutzt. Bei ihnen standen demenzielle (27%) und kardiologische Erkrankungen (24%) im Vordergrund. 10% waren onkologisch erkrankt. Die Hausärzt*innen sahen am häufigsten die Prüfung der Medikation, der Therapieziele und des Unterstützungsbedarfs der Erkrankten und Angehörigen als angezeigt an.
Im Beobachtungszeitraum waren bei 64 Patient*innen Krankheitskrisen oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes aufgetreten, 27 Patient*innen waren verstorben. Für die Mehrzahl der Patient*innen wurden ein Medikationscheck und Gespräche zur Therapiezielklärung realisiert. Eine Klärung des Unterstützungsbedarfs, insbesondere pflegender Angehöriger, erfolgte bei knapp der Hälfte.
Diskussion: Die Ergebnisse legen nahe, dass die Reflexion der SPICT-Indikatoren diagnoseunabhängig das Erkennen palliativer Versorgungserfordernisse unterstützen kann. Die Hausärzt*innen fokussieren mit Medikationschecks und Therapiezielklärungen Probleme, die in ihrem unmittelbaren Handlungsfeld liegen. Zu klären bleibt, wie die Unterstützung pflegender Angehöriger im Praxisalltag stärker gefördert werden kann.
Praktische Implikationen: SPICT-DE™ empfiehlt sich als Instrument, um Hausärzt*innen für einen palliativen Versorgungsbedarf älterer Menschen zu sensibilisieren und die Versorgung am Lebensende proaktiv zu gestalten.