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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Praxisrelevanz einer Entscheidungshilfe für eine proaktive Palliativversorgung älterer Menschen in der hausärztlichen Praxis – Erste Ergebnisse eines partizipativen Interventionsprojekts

Meeting Abstract

  • Fabian Tetzlaff - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Silke Freihoff - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Nils Schneider - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Gabriele Müller-Mundt - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf303

doi: 10.3205/20dkvf303, urn:nbn:de:0183-20dkvf3030

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Tetzlaff et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Begleitung älterer Menschen am Lebensende wird wesentlich durch Hausärzt*innen getragen. Das Erkennen von palliativem Versorgungsbedarf ist besonders bei Patient*innen mit nicht-malignen chronischen Erkrankungen schwierig.

Fragestellung und Zielsetzung: Im Mittelpunkt der Interventionsstudie stand die Frage, ob die Integration einer Entscheidungshilfe in die hausärztliche Praxis das Erkennen von palliativem Versorgungsbedarf und Einleiten palliativer Maßnahmen unterstützt.

Methode oder Hypothese: Nach Diskussion international erprobter Instrumente [1] in zwei multiprofessionellen Workshops wurde von den beteiligten Praxisteams, Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe und Patientenvertreter*innen das Supportive and Palliative Care Indicators Tool (SPICTTM) ausgewählt. Es umfasst allgemeine und spezifische Indikatoren, die auf palliativen Versorgungsbedarf hinweisen können. Vereinbart wurde die anlassbezogene Nutzung von SPICT-DETM durch die beteiligten Hausärzt*innen (n=13) für ältere Patient*innen (70+) mit chronischen progredienten Erkrankungen. Dokumentiert wurden zutreffende SPICT-Indikatoren und angezeigte Maßnahmen. Zur Einschätzung der Praxisrelevanz erfolgt eine Nacherhebung 6 Monate nach Studieneinschluss der Patient*innen. Vorgestellt werden Ergebnisse der bisher von 9 Hausärzt*innen vorliegenden Nacherhebungsdaten für die in den ersten 6 Monaten der Interventionsphase eingeschlossenen Patient*innen. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt wurde SPICT-DETM in den ersten 6 Monaten bei 99 Patient*innen (weiblich: 56; Alter: 70 bis 96 Jahre) als Entscheidungshilfe genutzt. Bei ihnen standen demenzielle (27%) und kardiologische Erkrankungen (24%) im Vordergrund. 10% waren onkologisch erkrankt. Die Hausärzt*innen sahen am häufigsten die Prüfung der Medikation, der Therapieziele und des Unterstützungsbedarfs der Erkrankten und Angehörigen als angezeigt an.

Im Beobachtungszeitraum waren bei 64 Patient*innen Krankheitskrisen oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes aufgetreten, 27 Patient*innen waren verstorben. Für die Mehrzahl der Patient*innen wurden ein Medikationscheck und Gespräche zur Therapiezielklärung realisiert. Eine Klärung des Unterstützungsbedarfs, insbesondere pflegender Angehöriger, erfolgte bei knapp der Hälfte.

Diskussion: Die Ergebnisse legen nahe, dass die Reflexion der SPICT-Indikatoren diagnoseunabhängig das Erkennen palliativer Versorgungserfordernisse unterstützen kann. Die Hausärzt*innen fokussieren mit Medikationschecks und Therapiezielklärungen Probleme, die in ihrem unmittelbaren Handlungsfeld liegen. Zu klären bleibt, wie die Unterstützung pflegender Angehöriger im Praxisalltag stärker gefördert werden kann.

Praktische Implikationen: SPICT-DE™ empfiehlt sich als Instrument, um Hausärzt*innen für einen palliativen Versorgungsbedarf älterer Menschen zu sensibilisieren und die Versorgung am Lebensende proaktiv zu gestalten.


Literatur

1.
Maas EA, Murray SA, Engels Y, Campbell C. What tools are available to identify patients with palliative care needs in primary care: a systematic literature review and survey of European practice. BMJ Support Palliat Care. 2013 Dec;3(4):444-51. DOI: 10.1136/bmjspcare-2013-000527 Externer Link