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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Wie stehen Hausärztinnen und Hausärzte zu Disease-Management-Programmen? – Ergebnisse einer Befragung zu Haltungen und Erfahrungswerten hessischer Allgemeinmediziner

Meeting Abstract

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  • Julian Wangler - Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz, Abteilung Allgemeinmedizin, Mainz, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf301

doi: 10.3205/20dkvf301, urn:nbn:de:0183-20dkvf3010

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Wangler.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Zur Verbesserung der Versorgung chronisch kranker Patienten wurden 2003 die Disease-Management-Programme (DMP) implementiert. Gerade unter Hausärzten wurde seitdem immer wieder über den Nutzen der Programme diskutiert. Trotz der bedeutsamen Rolle, die die Hausarztmedizin im DMP-Kontext spielt, haben empirische Studien ihr nur sporadisch Aufmerksamkeit gewidmet; an aktuellen Befunden – insbesondere zu Akzeptanz, Einstellungs- und Erfahrungswerten – mangelt es.

Fragestellung: Die Studie untersucht Einstellungen und Erfahrungen von Hausärzten mit Blick auf DMP. Zudem werden wahrgenommene Schwachstellen und Verbesserungsbedarfe ermittelt.

Methode: Im Zuge einer schriftlichen Befragung wurden 2019 insgesamt 3611 Hausärzte in Hessen angeschrieben. Von den 778 zurückerhaltenen Fragebögen gingen die 752 vollständig ausgefüllten Bögen in die Auswertung ein (Rücklauf: 21%). Neben der deskriptiven Analyse kam eine Faktorenanalyse zum Einsatz.

Ergebnisse: 59% beurteilen DMP positiv. 89% nehmen zurzeit an einem oder mehreren Programmen teil. 52% geben an, dass die Therapie der in DMP einbezogenen Patienten (stark) profitiert hat. Positiv hervorgehoben werden v.a. die regelmäßige, strukturierte Patientenbetreuung und die Verbesserung der Compliance. Auch wird konstatiert, dass die diagnostischen und therapeutischen Kenntnisse durch die DMP-Teilnahme erweitert werden konnten. 58% richten sich prinzipiell nach den DMP-Empfehlungen zur (medikamentösen) Therapie. Deutliche Kritik wird mit Blick auf hohen bürokratischen Aufwand (u.a. Dokumentation), organisatorische Veränderungen und eine weitgehende Starrheit des DMP-Konzepts artikuliert. Die Kooperation mit fachärztlichen Kollegen wird häufig als unbefriedigend erlebt.

Diskussion: Mehr als anderthalb Dekaden nach ihrer Einführung sind DMP fester und akzeptierter Bestandteil der hausärztlichen Versorgung. Die Kombination aus strukturierter Patientenbetreuung und klarer Evidenzorientierung wird von Hausärzten als großer Vorzug erachtet. Infolgedessen vertritt eine Mehrzahl die Ansicht, dass die hausärztliche Rolle durch die Etablierung von DMP aufgewertet wurde. Zudem belegen die Ergebnisse, dass DMP inzwischen für viele Allgemeinärzte kaum noch bei diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen wegzudenken sind. Jenseits dieser positiven Beurteilung bestehen Schwachpunkte, die einer effizienten und reibungslosen Vereinbarung von DMP mit dem Praxisalltag nicht selten entgegenstehen.

Praktische Implikationen: Vordringlich für eine substanzielle Verbesserung von DMP aus hausärztlicher Sicht erscheinen eine Vereinfachung des Dokumentations- und Verwaltungsaufwands, eine besser geregelte Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsebenen, eine größere Entscheidungsflexibilität, ein größeres und differenzierteres Angebot an Pflichtschulungen, der verstärkte Einbezug von hausärztlichen Erfahrungen im Prozess der DMP-Entwicklung sowie die Implementierung stärkerer Anreiz- und Honorierungsstrukturen für Ärzte bzw. Patienten.


Literatur

1.
Weigeldt U. Disease-Management-Programme: Unerwartete Bilanz nach zehn Jahren. Dtsch Arztebl. 2014;111(20):26.