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Hebammenversorgung in der COVID-19-Pandemie: Eine qualitativ-explorative Interviewstudie zu Erfahrungen von Hebammen in Bayern
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: COVID-19 hat die Versorgungsarbeit von Hebammen in Deutschland verändert: Schnell wechselnde Gesundheitsinformationen und Infektionsschutzmaßnahmen stellen Hebammen vor Herausforderungen in ihrer Betreuung von Familien rund um die Geburt, z.B. in Geburtsvorbereitungskursen, in der Klinik und in der Nachsorge zu Hause. Bislang wurde noch nicht untersucht, welche Erfahrungen Hebammen mit ihrer Arbeit während der COVID-19-Pandemie machen.
Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Studie war zu explorieren, welche Erfahrungen Hebammen mit der Betreuung und Versorgung von Familien während der COVID-19-Pandemie gemacht haben.
Methode oder Hypothese: In einer qualitativen Interviewstudie wurden 11 Hebammen (Praxiserfahrung: 5–42 Jahre), davon zwei berufspolitische Vertreterinnen in Bayern, telefonisch in semi-standardisierten Leitfadeninterviews befragt. Die Interviews wurden aufgezeichnet und verbatim transkribiert. Die Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: Die Hebammen berichten, dass ihre beratenden Leistungen teilweise digital stattfanden (Erstgespräche, prä-/postnatale Beratung) oder entfielen (v.a. Geburtsvorbereitungskurse, Vorstellung in der Klinik). Die offiziellen Regelungen zur Durchführung von Präsenzkursen im Grenzbereich zwischen medizinischer und psychosozialer Notwendigkeit wurden als unklar empfunden.
Eindeutig medizinische Leistungen (z.B. Geburt, Versorgung im Wochenbett) fanden weiterhin unter Schutzmaßnahmen statt. Während der Infektionsschutz die Aufnahme in die Klinik und die Arbeit im Kreissaal aus Hebammensicht erschwert hat, wurden Wochenbettbetreuung und Stillberatung in der Klinik aufgrund der eingeschränkten Besuchsregeln als entspannter und effektiver wahrgenommen.
Der bayerische Hebammenverband hat aus Sicht der Studienteilnehmerinnen schnell reagiert und ausreichend informiert. Eine optimale Versorgung wurde aus Hebammensicht dennoch erschwert, weil die Profession auf politischer Ebene nicht ausreichend „mitgedacht“ wurde (z.B. der Zugang zu Schutzausrüstung war zeitweilig schwierig). Die Abrechnungsmodalitäten für digitale Angebote blieben lange unklar. Entfallene Leistungen haben bei der fast ausschließlich selbständig tätigen Berufsgruppe zu Verdienstausfällen geführt.
Diskussion: Für die Hebammenversorgung während der COVID-19-Pandemie sind klarere Regeln für Grenzbereiche zwischen medizinischer und psychosozialer Versorgung wünschenswert. Es sollte systematisch beobachtet werden, ob der Digitalisierungsschub Engpässe in der Hebammenversorgung auch nach der Pandemie verbessern könnte und ob sich eingeschränkte Besuchsregeln in der Klinik positiv auf Stillbereitschaft und -erfolge auswirken aber auch ob sie von Eltern als psychosoziale Ent- oder Belastung wahrgenommen werden.
Praktische Implikationen: Für eine Verbesserung der Hebammenversorgung während der Pandemie wäre eine Unterstützung der Digitalisierung von prä- und postnataler Beratung und deren Vergütung hilfreich. Ebenso wären klare Regelungen für Kurse wünschenswert.