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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

DISPENSE: Datengetriebene und modellgestützte Covid-19 Bettenprädiktion in Sachsen

Meeting Abstract

  • Jens Karschau - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Toni Lange - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Christoph Forkert - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Martin Rößler - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Felix Walther - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Christian Kleber - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, AG Polytrauma, Dresden, Deutschland
  • Andreas Mogwitz - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Veronika Bierbaum - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf255

doi: 10.3205/20dkvf255, urn:nbn:de:0183-20dkvf2551

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Karschau et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Plötzlich auftretende Covid-19 Krankheitsfälle benötigen ein orchestriertes und gemeinsames Handeln aller Gesundheitsversorger. Bei Auftreten großer Fallzahlen besteht die Gefahr der Überlastung lokaler Intensivkapazitäten. Stehen jedoch rechtzeitig am Ausbruch einer Infektionswelle alle Daten zentral zur Verfügung, lassen sich überregionale Intensivkapazitäten bündeln und Punktlasten auf andere Krankenhäuser verteilen. Maximalversorger können so kleinere Kliniken frühzeitig vor größeren Patientenströmen entlasten. Grundvoraussetzungen für ein zentralgesteuertes, regionales Pandemiemanagement sind

1.
ein Netzwerkverbund aller regionaler Kliniken mit einem Maximalversorger als Koordinator (Leitstelle) und
2.
ein tagesaktuelles Versorgungsmonitoring auf Basis von Klinikdaten und Daten der regionalen Gesundheitsämter mit robusten Vorhersagemethoden.

Fragestellung und Zielsetzung: In Ostsachsen wurde bereits im März 2020 ein regionaler Klinikverbund bestehend aus 35 Kliniken sowie ein tagesaktueller Datenfluss von Gesundheitsämtern und der Landesuntersuchungsanstalt etabliert. Dafür wurde das DISPENSE-Tool geschaffen: Daten werden hier aggregiert, aufbereitet und web-basiert dargestellt. Um eine zuverlässige Vorhersage leisten zu können, nutzen wir ein um Bettenbelegungen auf Normal- und Intensivstation erweitertes SEIR Modell. Die Patientenströme zwischen verschiedenen Zuständen (z.B. von Normalstation zu Intensivstation) werden durch zustandsabhängige Übergangsraten bestimmt, die indirekt proportional zur mittleren Verweildauer sind. Infizierte Patienten können in unserem Modell mit einer gewissen Rate ein Krankenhausbett belegen und in nächster Instanz mit einer weiteren assoziierten Rate in die Intensivstufe zu einem gewissen Prozentsatz eskalieren. Nach einer gewissen Verweildauer werden belegte Kapazitäten wieder frei und können je nach Infiziertenstand wieder belegt werden. Ziel hier ist die Gütebestimmung unseres erweiterten SEIR Modells mit realen Belegungskapazitäten im Zeitraum von März bis Juli 2020.

Methode oder Hypothese: Für einen Modellfit stehen uns Daten von 35 Kliniken und Regionen Ostsachsens im DISPENSE Tool zur Verfügen. Die Raten in unserem Modell wurden aus ersten Abschätzungen des Zeitintegrals dieser Daten anhand von linearen Fits bestimmt. Unter Hinzunahme von publizierten Verweildauern [1] wurden sie nachkalibriert. Als freier Fitparameter bleibt die Basisreproduktionszahl R0, die durch Interventionsmaßnahmen beeinflusst werden kann. Je Interventionsmaßnahmenintervall wird sie anhand der kumulierten Infiziertenzahl bestimmt. Die Belegung der Normal- und Intensivbetten ergibt sich dann ohne weitere Nachjustierung aus dem Modell. Somit ist eine Abschätzung der Bettenbelegung durch die Schätzung der zeitraumspezifischen Basisreproduktionszahl möglich.

Ergebnisse: Unsere Modellvorhersage gemessenen anhand der realen Bettenbelegungen bietet hierbei eine gute Vorhersage [vgl. Maximalwert Normalstation ~ 120 (Modell ~150), Intensiv ~30 (Modell ~33)]. Die Medianabweichung des absoluten Modellfehlers liegt bei 11 (Normalkapazität) bzw. 7 (Intensivkapazität). Das Bestimmtheitsmaß R2 zwischen Modellvorhersage und Messwert ist mit bis 86% ein guter Indikator für die Robustheit des Schätzalgorithmus’. Bei geringen Fallzahlen in Sachsen im Juli gibt es jedoch Abweichung von der Schätzung der Bettenbelegung. Aufgrund der geringen Belegungszahlen (<10 Fälle) lässt sich vermuten, dass diese Belegung von Patienten mit einer besonders langen Verweildauer verursacht wird.

Diskussion: In einem ersten Ansatz liefert unser Modell eine robuste Bettenprädiktion. Um auch kleine Fluktuationen widerzugegeben, ist eine Erweiterung um stochastische Monte-Carlo-Simulationen vorgesehen.


Literatur

1.
an der Heiden M, Buchholz U. Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epdidemie 2020 in Deutschland. 2020. DOI: 10.25646/6571.2 Externer Link