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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Bestimmung der Zahl von Risiko- und Hochrisikopatienten auf Basis von Abrechnungsdaten – Unterstützung kleinräumiger Versorgungsplanungen der kassenärztlichen Vereinigungen während der COVID-19-Pandemie

Meeting Abstract

  • Jörg Bätzing - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Lotte Dammertz - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Jakob Holstiege - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Ramona Hering - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Manas K. Akmatov - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Annika Steffen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Thomas Czihal - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Dominik von Stillfried - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf249

doi: 10.3205/20dkvf249, urn:nbn:de:0183-20dkvf2496

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Bätzing et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Seit Ende Januar 2020 werden täglich neue Infektionen mit dem neuartigen SARS-CoV-2 Virus in Deutschland gemeldet. Eine große Zahl schwerwiegender Erkrankungsverläufe und die hohe Sterblichkeit von COVID-19 stellt unser Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Studie war es, für die 402 kreisfreien Städte und Landkreise die Anzahl von Personen zu ermitteln, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 hat. Mit diesen Daten sollten die Planungen der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Sicherstellung der Versorgung während der Pandemie unterstützt werden. Hierbei wurde auf der Grundlage des Wissensstandes vom 23. März 2020 gearbeitet.

Methode oder Hypothese: Datengrundlage waren die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V des Jahres 2018. Die Daten umfassten Informationen zu Alter, Geschlecht, Wohnort und Diagnose (gemäß ICD-10-Klassifikation) aller gesetzlich Krankenversicherten, die im Jahr 2018 einen Vertragsarztkontakt hatten. Zur Hochrechnung auf die Gesamtbevölkerung wurden die Bevölkerungsdaten auf Kreisebene der Regionaldatenbank Deutschland der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder genutzt.

Gemäß den Fachveröffentlichungen bis zur zweiten Märzwoche galt für folgende Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Erkrankungsverläufe bei einer Infektion mit SARS-CoV-2: Hypertonie, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus Typ 1 und 2, COPD sowie angeborene und erworbene Erkrankungen mit eingeschränkter Immunantwort. Für diese Vorerkrankungen wurde die Prävalenz innerhalb der Versichertenpopulation auf Ebene der Kreise und KV-Bereiche ermittelt und über eine Hochrechnung die absoluten Patientenzahlen in Gesamtbevölkerung regional geschätzt. Hierbei wurde zwischen Patienten mit mindestens einer relevanten Vorerkrankung und Patienten mit mindestens drei relevanten Vorerkrankungen differenziert. Je eingeschlossener Erkrankung galten die Personen als prävalente Fälle, die in mindestens zwei Quartalen im Jahr 2018 eine mit dem Zusatzkennzeichen „gesichert“ codierte Diagnose erhalten hatten (sogenanntes M2Q-Kriterium).

Ergebnisse: Etwa 3,6% der 15–24-Jährigen und 79,6% der über 80-Jährigen Personen in Deutschland weisen mindestens eine Vorerkrankung auf. Bei Personen mit mindestens drei Vorerkrankungen liegt der Anteil zwischen 3,6% im Alter 35-59 Jahre und 12,5% im Alter ab 80 Jahren. Zusätzlich finden sich teilweise erhebliche regionale Unterschiede zwischen den KV-Bereichen bzw. Kreisen.

Diskussion: Personen mit mindestens drei Vorerkrankungen im Alter ab 80 Jahren haben das höchste Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf. Personen mit mindestens einer Vorerkrankung weisen in diesem Alter ein sehr hohes Risiko auf. Auch auf Personen im Altersbereich 60–79 Jahre mit mindestens drei Vorerkrankungen trifft noch ein sehr hohes Risiko zu.

Praktische Implikationen: Die Routinedaten aus der kassenärztlichen Versorgung eigenen sich sehr gut dazu, pragmatisch wertvolle Informationen zu liefern, die kurzfristig kleinräumige Anpassungen zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung in der Pandemie-Krise unterstützen können.