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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

„Wär’ nichts für mich. Ich kann mir selber helfen!“ – Akzeptanz von „Ambient Intelligence“ zum Monitoring von Nebenwirkungen in der Häuslichkeit bei Patient*innen mit Lungenkrebs

Meeting Abstract

  • Milena von Kutzleben - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Jan Christoph Galuska - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg, Deutschland
  • Frank Griesinger - Pius-Hospital Universitätsmedizin Oldenburg, Universitätsklinik für Innere Medizin-Onkologie, Oldenburg, Deutschland
  • Andreas Hein - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Lena Ansmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf232

doi: 10.3205/20dkvf232, urn:nbn:de:0183-20dkvf2324

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 von Kutzleben et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Innovative, systemisch wirkende Immuntherapien in der Behandlung von Lungenkrebs gehen oft mit einer komplexen Symptomatik von Nebenwirkungen einher, die aber in der Regel gut kontrollier- und behandelbar sind. Ein effizientes Monitoring von Nebenwirkungen sollte daher einen hohen Stellenwert in der Versorgung bei Lungenkrebs einnehmen. Technik-basierte Monitoringsysteme aus dem Spektrum von „Ambient Intelligence“ bieten die Möglichkeit auch bei ambulant versorgten Patient*innen kontinuierlich objektive Daten zu therapieinduzierten Nebenwirkungen bereitzustellen.

Fragestellung: Ziel der Studie ist es herauszufinden, wie 1) Patient*innen mit Lungenkrebs ihre Behandlung erleben, wie sie mit Nebenwirkungen umgehen und wie sie über diese berichten und 2) wie die Akzeptanz von und Erwartungen an einen potenziellen Einsatz von ‚Ambient Intelligence‘ zum Monitoring von Nebenwirkungen in der Häuslichkeit ausgeprägt sind.

Methode: Patient*innen mit Lungenkrebs im palliativen Stadium wurden mittels qualitativer Leitfadeninterviews befragt (n=21). Die Auswertung der Daten erfolgt mit der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz.

Ergebnisse: Die befragten Patient*innen standen der Immuntherapie positiv gegenüber. Die Behandlung selbst wird von vielen jedoch als fragmentiert empfunden und es wird eine kontinuierliche Beratung durch eine feste Ansprechperson vermisst. Es wurden diverse Beschwerden geschildert, die aber meist nicht in Zusammenhang mit der Therapie gebracht werden. Spontan reagierten die meisten Befragten ablehnend auf die Möglichkeit des häuslichen Monitorings von Nebenwirkungen. Begründet wurde dies vor allem mit der fehlenden Nützlichkeit. Die Befragten setzen hier auf ihre Fähigkeit zum Selbstmonitoring und auf die Einschätzungen ihrer Familienangehörigen. Priorisiert werden körpernah angewandte Systeme, die gezielt primäre Symptome (z.B. Husten oder Dyspnoe) aufzeichnen, wenn sie nicht stören und der/die Nutzer*in die Kontrolle über das System behält. Ambient installierte Systeme werden als weniger nützlich empfunden und zudem als schwerer Eingriff in die Privatsphäre gewertet. Ein sehr hoher medizinischer Nutzen könnte dies aber evtl. ausgleichen. Videoaufnahmen stellen meist ein Tabu dar. Systeme mit einer Alarm- bzw. Benachrichtigungsfunktion werden als potenziell am nützlichsten bewertet. Zum Teil wird ein technisches Monitoringsystem als moralische Instanz empfunden, die über das persönliche Gesundheitsverhalten (z.B. mangelnde Bewegung) wertet.

Diskussion: Die primären Bedürfnisse von Patient*innen mit Lungenkrebs, die sich einer Immuntherapie unterziehen, liegen in der direkten Kommunikation mit ihren Behandler*innen. Wichtig sind eine kontinuierliche Kommunikation mit bekannten Personen und Informationen über die Erkrankung und die Therapie. Technikbasierte Monitoringsysteme zur Aufzeichnung von Nebenwirkung werden allenfalls als Ergänzung dazu gewünscht.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse liefern Hinweise auf Nutzungsbarrieren. Zukünftige Überlegungen zu Monitoringsystemen für die Häuslichkeit sollten unbedingt unter Einbindung potenzieller Nutzer*innen erfolgen.