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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Zugang zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit Migrationshintergrund verbessern durch Stärkung der Gesundheitskompetenz

Meeting Abstract

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  • Yvonne Adam - Hertie School, Berlin, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf225

doi: 10.3205/20dkvf225, urn:nbn:de:0183-20dkvf2251

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Adam.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Studie zur GK der Bevölkerung in Deutschland ergab, dass der Anteil geringer GK bei Menschen mit Migrationshintergrund (MH) mit 70,5% deutlich höher liegt als in der Allgemeinbevölkerung mit 54,3% (Schaeffer et al. [1]). Daher ist es wichtig, gezielt Anstrengungen zu unternehmen, die GK von MMH zu stärken. Denn sie benötigen eine solide GK, um Zugangsbarrieren wie mangelnde Sprachkenntnisse oder Unkenntnisse des deutschen Gesundheitssystems überbrücken zu können. Eine detaillierte Datenbasis zur GK unterschiedlicher Gruppen an Menschen mit Migrationshintergrund (MMH) in Deutschland fehlt bislang. Auch international gibt es noch wenig Vergleichsstudien.

Fragestellung und Zielsetzung: Wie kann die GK von MMH gezielt gefördert werden und welche Besonderheiten sind dabei zu beachten? Herausforderungen mehrsprachiger Personen mittleren Alters im Umgang mit Gesundheitsinformationen stehen im Mittelpunkt des Interesses.

Methode oder Hypothese: Von Juni bis August 2019 wurden vier Fokusgruppen (n=36) durchgeführt, in MAXQDA codiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

1.
Gruppe: Teilnehmende der durchschnittlichen Allgemeinbevölkerung,
2.
Personen unterschiedlichen MHs.
3.
Frauen mittleren Alters mit türkischsprachigem Hintergrund,
4.
mit russischsprachigem Hintergrund.

Die Ergebnisse wurden durch sechs Einzelinterviews im Januar und Februar 2020 mit weiblichen Stakeholdern aus der migrantischen Selbsthilfe validiert.

Ergebnisse: Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eröffnet die Mehrsprachigkeit von MMH und Erfahrungen im Herkunftsland zusätzliche Optionen bei der Suche nach Gesundheitsinformationen. Dies kann zu allerdings auch zu vermehrten Verunsicherungen führen, welcher Information zu vertrauen ist.

Frauen mittleren Alters mit MH fühlen sich nicht nur für ihre eigene Gesundheit verantwortlich, sondern auch für die ihrer Kinder und (Groß-)Eltern. Sie sind für sie Übersetzerinnen, Informationssuchende und erklärende und entscheidende Instanz im Prozess der Informationsverarbeitung.

Besonders bei der Krankheitsbewältigung stehen persönliche Kontakte, vertrauenswürdige Ansprechpartner*innen und das Nutzen der Muttersprache im Vordergrund. Die Einzelinterviews zeigen, dass die mehrsprachige Selbsthilfe einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der GK leistet, indem sie die Suche nach Informationen und die Umsetzung in individuelles Handeln begleitet.

Diskussion: Personen mittleren Alters mit MH wünschen sich ein Maximum an Gesundheitsinformationen, bei deren Bewertung kulturelle Faktoren eine Rolle spielen. Auch wenn sie gut Deutsch sprechen, sind muttersprachliche Informationen wichtig. Kompetenz im Umgang mit Viel-heit ist ebenso gefragt wie einen Umgang mit Viel-falt.

Praktische Implikationen: MMH mittleren Alters sollten in der Suche und Weitergabe von vertrauenswürdigen Informationen an Eltern, Großeltern und ihre Kinder unterstützt werden, ebenso die Partizipation durch die mehrsprachige Selbsthilfe.


Literatur

1.
Schaeffer D, Vogt D, Berens EM, Hurrelmann K. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland – Ergebnisbericht. Bielefeld: Universität Bielefeld; 2016.