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Umsetzung der WHA-Resolution in Deutschland: Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Interventionen zur Entstigmatisierung von Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In Deutschland leiden etwa 10 Millionen Menschen an chronischen Hauterkrankungen. Die Sichtbarkeit, aber auch viele andere psychosoziale Folgen führen zu einer kumulativen Beeinträchtigung im Lebensverlauf. In ihrer Resolution 2014 hat die World Health Assembly (WHA) Psoriasis als eine der 5 wichtigsten nichtübertragbaren Krankheiten identifiziert und ihre Mitgliedsstaaten aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um sowohl die Akzeptanz als auch die Versorgung von Menschen mit Psoriasis zu verbessern. Es wurde ausdrücklich auf die Bedeutung der Bekämpfung von Stigmatisierung hingewiesen.
Fragestellung und Zielsetzung: In Deutschland wurde die WHA-Resolution in ein dreijähriges (2018–2020) vom Gesundheitsministerium finanziertes Projekt umgesetzt mit dem Ziel, Interventionen gegen Stigmatisierung von Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen zu entwickeln, die nach Evaluation nachhaltig und bundesweit eingesetzt werden können.
Methode oder Hypothese: Als Grundlage für die Entwicklung von Interventionsformaten wurden 2 systematische Literaturreviews – sowohl zu Messinstrumenten der Stigmatisierung als auch zu bereits bestehenden Interventionen gegen Stigmatisierung – durchgeführt. Darüber hinaus wurden qualitative Erhebungen zu Stigmatisierungserfahrungen aus der Perspektive von Betroffenen, Angehörigen und Versorgern durchgeführt. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden zwei Interventionsformate für den Einsatz bei Pädagogen und Medizinstudenten entwickelt. Die wissenschaftliche Evaluation erfolgt anhand eines randomisierten Designs (Intervention/Kontrolle). Die Teilnehmer werden gebeten, unmittelbar vor der Intervention, unmittelbar danach und 12 Wochen später einen Fragebogen über ihr Wissen und ihre Einstellung zu Hauterkrankungen auszufüllen.
Ergebnisse: Die Interventionen werden von April 2019–Mai 2020 an zwei medizinischen Fakultäten sowie einer Berufsschule erprobt. Die Zielgruppen sind sowohl Studierende der Medizin als auch Lehrkräfte. Beide Interventionsformate bestehen aus drei Teilen: Selbsterfahrung, Theorieteil, Begegnung mit Betroffenen. Mit diesem Schritt sollen Medizinstudenten und angehende Pädagogen während ihrer Ausbildung für das Risiko einer krankheitsbedingten Stigmatisierung sensibilisiert werden. Bisher wurden n=150 Medizinstudenten und n=208 Pädagogen in die Interventionen einbezogen. Follow-Up Fragebögen liegen von n=99 Medizinstudenten und n=202 Pädagogen vor. Finale Ergebnisse der Evaluation liegen im August 2020.
Diskussion: Parallel zur letzten Testphase und Evaluation startete im Januar 2020 die dritte Phase des Projekts. Sie zielt auf die Entwicklung eines Langzeitkonzepts, das neben der Umsetzung der Ergebnisse an anderen medizinischen Fakultäten und (Berufs-)Schulen auch eine Erweiterung der Interventionsformate auf andere Erkrankungen vorsieht.
Praktische Implikationen: Die neuen Interventionen können bundesweit zur Verringerung von Stigmatisierung bei Menschen mit chronischen Hauterkrankungen beitragen und somit die Krankheitslast von Betroffenen verbessern und kumulierenden (irreversiblen) Beeinträchtigungen vorbeugen.