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Vergleich von Methoden zur Identifikation von nosokomialen Infektionen bei Sepsispatienten in GKV-Routinedaten
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Es existieren für Deutschland keine Angaben, welcher Anteil von stationär behandelten Sepsisfällen durch nosokomiale Infektion hervorgerufen wird und damit potentiell vermeidbar ist. Die Mehrzahl der ICD-Codes enthält in Deutschland keine Kennzeichnung zur Identifikation nosokomialer Infektionen, was ihre Erfassung in Routinedaten erschwert.
Fragestellung und Zielsetzung: Vergleich zweier Methoden zur Identifikation von nosokomialen Infektionen bei Sepsispatienten in GKV-Routinedaten.
Methode oder Hypothese: Anwendung einer (1) literaturbasiert erstellten Auswahl von ICD-Codes für explizit darstellbare nosokomiale Infektionen, und (2) Anpassung einer Identifikationsmethode aus den USA (Page et al. [1]). Da die US-Methode auf eine in Deutschland nicht verfügbare Kennzeichnung der Diagnose als bei Aufnahme bestehend zurückgreift, wurde auf die Aufnahme-/Einweisungsdiagnose in Kombination mit Angaben zu Pflegeheimaufenthalt, Pflegegrad, Dialyse oder Hospitalisierung in den vorangegangen 30 Tagen zur Differenzierung zwischen nosokomialer, therapieassoziierter und ambulant erworbener Infektion zurückgegriffen. Beide Identifikationsmethoden für den Infektionsursprung wurden in einer Kohorte von 159.691 AOK-Patienten mit Erstauftreten einer stationär behandelten Sepsis miteinander verglichen.
Ergebnisse: Nach (1) hatten 21% der Sepsisfälle und 28% der schweren Sepsisfälle eine explizit kodierte nosokomiale Infektion. Methode (2) identifizierte bei 65% der Sepsisfälle und der schweren Sepsisfälle eine nosokomiale Infektion; die übrigen Fällen ohne Infektion als Aufnahme/Einweisungsdiagnose wurden zu 18% bzw. 17% als ambulant-erworbene (keine vorherige Kontakte) und zu 17% bzw. 18% als therapieassoziierte Infektion klassifiziert.
Diskussion: Der Anteil explizit identifizierter nosokomialer Infektionen bei Patienten mit schwerer Sepsis nach (1) ist >2-fach höher als in den USA (13% erhoben in elektronischen Krankenakten (Rhee et al. [2]). Methode (1) unterschätzt den Anteil nosokomialer Infektionen in Deutschland, falls explizite ICD-Codes unvollständig kodiert werden; sie könnte jedoch eine untere Schranke für deren Häufigkeit liefern. Identifikationsmethode (2) erfasst 3-fach höhere Raten als (1) und knapp 5-fach höhere Raten als die US-Methode mit „present on admission„-Kennzeichnung. Falls Infektionen nicht als Aufnahme-/Einweisungsdiagnose identifiziert und dokumentiert werden, führt Methode (2) zu einer Überschätzung nosokomialer Infektionen.
Praktische Implikationen: Eine Validierung der Methoden mit bspw. Patientenakten ist notwendig.
Literatur
- 1.
- Page DB, Donnelly JP, Wang HE. Community-, Healthcare-, and Hospital-Acquired Severe Sepsis Hospitalizations in the University HealthSystem Consortium. Crit Care Med. 2015 Sep;43(9):1945-51. DOI: 10.1097/CCM.0000000000001164
- 2.
- Rhee C, Dantes R, Epstein L, Murphy DJ, Seymour CW, Iwashyna TJ, Kadri SS, Angus DC, Danner RL, Fiore AE, Jernigan JA, Martin GS, Septimus E, Warren DK, Karcz A, Chan C, Menchaca JT, Wang R, Gruber S, Klompas M; CDC Prevention Epicenter Program. Incidence and Trends of Sepsis in US Hospitals Using Clinical vs Claims Data, 2009-2014. JAMA. 2017 Oct;318(13):1241-1249. DOI: 10.1001/jama.2017.13836