gms | German Medical Science

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Trauer und Verlust bei älteren Menschen: Untersuchung des Zusammenhangs zu Depressionen, Einsamkeit und sozialer Unterstützung

Meeting Abstract

  • Katja Schladitz - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig, Deutschland
  • Margrit Löbner - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig, Deutschland
  • Janine Stein - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig, Deutschland
  • Steffi G. Riedel-Heller - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf180

doi: 10.3205/20dkvf180, urn:nbn:de:0183-20dkvf1802

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Schladitz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt infolge des demographischen Wandels zu. Depressionen sind mit Punktprävalenzen von 29% ab 65 Jahren weit verbreitet und mit vielfältigen negativen somatischen, psychischen und sozialen Auswirkungen bei Älteren assoziiert. Der Verlust eines nahestehenden Menschen (mit einer Punktprävalenz von 16.4% bei Menschen ab 75 Jahren) erhöht die subjektiv empfundene Einsamkeit und stellt einen Risikofaktor für die Entstehung einer Depression dar. Soziale Unterstützung verringert Einsamkeit und schwächt Depression ab.

Fragestellung und Zielsetzung: Depressionen im höheren Alter werden oft nicht erkannt (es besteht europaweit eine Versorgungslücke von 79%), obwohl sie gut behandelbar sind. Ziel der Untersuchung ist es, Zusammenhänge zwischen dem Verlust einer nahestehenden Person und der Entwicklung einer Depression im höheren Alter unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren wie Einsamkeit und sozialer Unterstützung zu untersuchen.

Methode oder Hypothese: Grundlage der Querschnittsanalysen bildet eine Stichprobe (N = 863) von Studienteilnehmern aus der deutschen BMBF-geförderten populations- und allgemeinarztbasierten Alterskohorte AgeMooDe mit Verlusterfahrung im Leben. Für die Analysen wurden Daten des Follow-Up-Messzeitpunkts herangezogen. 62.2 % der Befragten waren Frauen und im Durchschnitt 81.4 Jahre (SD = 4.4) alt. Bei 21.1 % lagen Hinweise für eine Depression vor (GDS-15 > 4) und 55.2 % lebten allein. Es wurden Regressionsanalysen (moderierte Mediation) durchgeführt.

Ergebnisse: Das Risiko für eine Depression nimmt mit zunehmendem Alter (β=0.10, p=.005) und Trauerbelastung (β=0.33, p <. 001) zu. Es zeigt sich ein indirekter Effekt des Mediators Einsamkeit auf die Korrelation von Trauer und Depression (b=0.04, KI [0.03, 0.05)], jedoch kein moderierender Effekt von sozialer Unterstützung auf die Korrelation zwischen Trauer und Einsamkeit. Alleinlebende haben ein signifikant höheres Risiko für Depressivität, pathologische Trauer, stärkeres Einsamkeitserleben sowie fehlende soziale Unterstützung.

Diskussion: Die Studie liefert empirische Belege und ein besseres Verständnis für den Zusammenhang von Trauer und Depression bei Älteren sowie für die mediierende Rolle von Einsamkeit. Sie zeigt auf, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit und das Ausmaß einer depressiven Symptomatik mit zunehmendem Alter und Schweregrad der Belastung im Zusammenhang mit Trauer nach Verlusterfahrungen ansteigt.

Praktische Implikationen: Ältere Menschen mit erhöhter Trauerbelastung und hoher subjektiv empfundener Einsamkeit sollten als Risikogruppen für die Entwicklung von Depression fokussiert werden. Fachpersonal des geriatrischen Sektors sollten dafür sensibilisiert werden, besonders gefährdete Personen zu identifizieren und mit geeigneten Interventionen zu unterstützen. Um die soziale Einbindung von alleinlebenden Älteren zu verbessern, sollten Maßnahmen auf lokaler, regionaler und gesellschaftlicher Ebene ansetzen.