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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Versorgung von Menschen am Lebensende in Niedersachsen – eine Analyse von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen aus den Jahren 2016 und 2017

Meeting Abstract

  • Katharina van Baal - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Sophie Schrader - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Nils Schneider - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Birgitt Wiese - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Stephanie Stiel - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Siegfried Geyer - Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Jona Theodor Stahmeyer - Stabsbereich Versorgungsforschung, AOK – die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Hannover, Deutschland
  • Sveja Eberhard - Stabsbereich Versorgungsforschung, AOK – die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Hannover, Deutschland
  • Kambiz Afshar - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf178

doi: 10.3205/20dkvf178, urn:nbn:de:0183-20dkvf1782

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 van Baal et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Der Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2015 zeigte heterogene palliative Versorgungsstrukturen und erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern mit Auswirkungen auf die Versorgungsqualität am Lebensende.

Fragestellung und Zielsetzung: Wie hat sich die Versorgung von Menschen am Lebensende in Niedersachsen mit Fokus auf den ambulanten Sektor entwickelt?

Methode oder Hypothese: Es handelt sich um eine deskriptive Querschnittsanalyse auf Basis von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen. Die Analyse ist Teil des Projektes „Optimale Versorgung am Lebensende – OPAL“ (Innovationsfonds: 01VSF17028). Daten von in 2016 und 2017 verstorbenen Versicherten (Alter ≥18 Jahre) der AOK Niedersachsen mit mind. einer chronisch-progredienten Erkrankung wurden analysiert (Diagnosevalidierung durch M2Q). Grundlage für die Beurteilung der Versorgungssituation waren ausgewählte Qualitätsindikatoren zur Versorgung am Lebensende in Anlehnung an den Faktencheck Gesundheit. Neben Diagnosedaten wurden u.a. die Anzahl von stationären Aufenthalten und von Leistungen der allgemeinen und spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (AAPV/SAPV) sowie deren zeitlicher Abstand zum Tod deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 32.442 in 2016 Verstorbene (54,4% weiblich) und 31.833 in 2017 Verstorbene (54,1% weiblich) die Einschlusskriterien. Das mittlere Alter bei Versterben betrug für 2016 79,8 und für 2017 80,2 Jahre. Eine Herzerkrankung lag bei ca. 3/4 aller Verstorbenen vor (2016: 75,7%; 2017: 73,7%), gefolgt von demenziellen Erkrankungen (2016: 53,6%; 2017: 46,6%) und Lungenerkrankungen (2016: 47,1%; 2017: 46,7%). In den letzten sechs Lebensmonaten hatten etwa 3/4 der Verstorbenen mindestens einen stationären Aufenthalt (2016: 76,5%; 2017: 78,6%). Der Anteil an Verstorbenen mit AAPV Leistungen im letzten Lebensjahr lag 2016 bei 28,4% und 2017 bei 27,7%. Die erste AAPV Leistung wurde im Median 48 (2016) bzw. 46 (2017) Tage vor dem Tod erbracht. Im letzten Lebensjahr erhielten 8,5% (2016) bzw. 9,4% (2017) der Verstorbenen SAPV Leistungen. Die erste SAPV Leistung wurde im Median 25 (2016) bzw. 23 (2017) Tage vor dem Tod erbracht, wobei bei ca. 13% der Verstorbenen mit SAPV die erste Verordnung auf die letzten drei Lebenstage entfiel.

Diskussion: Die Ergebnisse geben einen Überblick über die Versorgungssituation von Menschen am Lebensende in Niedersachsen anhand ausgewählter Qualitätsindikatoren. Der Vergleich mit niedersächsischen Daten aus dem Faktencheck Gesundheit zeigt einen Zuwachs an SAPV (2010–2014: 5,3%) und eine konstante Häufigkeit der AAPV Leistungen (2014: 28,0%). Leistungen der Palliativversorgung scheinen insgesamt auch weiterhin eher spät im Versorgungsverlauf eingeleitet zu werden.

Praktische Implikationen: Die Zunahme von SAPV Leistungen weist auf eine gesteigerte Wahrnehmung für spezialisierte palliative Bedarfe hin. Leistungen der AAPV jedoch werden gemessen am geschätzten Bedarf weiterhin zu spät und selten erbracht. Es bedarf einer Steigerung des Bewusstseins für allgemeine Palliativversorgung insbesondere durch Primärversorgende wie z.B. Hausärztinnen und Hausärzte.

Förderung: Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Innovationsfonds: 01VSF17028.