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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

„... das kriegt doch keiner mit. Das ist eben das, wo dann ein Arzt ein anderes Auge drauf haben müsste.“ After-Death-Interviews mit Angehörigen verstorbener Patient*innen aus hausärztlichen Praxen

Meeting Abstract

  • Sophie Schrader - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Katharina van Baal - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Nils Schneider - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Kambiz Afshar - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Gabriele Müller-Mundt - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf177

doi: 10.3205/20dkvf177, urn:nbn:de:0183-20dkvf1771

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Schrader et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Im Verlauf der letzten Jahre wurden Angebote der Palliativ- und Hospizversorgung zur Verbesserung der Versorgung am Lebensende verstärkt ausgebaut. Gerade in der häuslichen Versorgung kommt den Angehörigen und damit der Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse eine wichtige Rolle zu.

Fragestellung und Zielsetzung: In der Studie wurde der Frage nachgegangen, wie sich die Versorgung von Menschen mit chronisch-progredienten Erkrankungen am Lebensende aus der Angehörigenperspektive darstellt. Ziel war es, diejenigen Aspekte zu eruieren, die aus Angehörigensicht für eine Optimierung der Versorgung am Lebensende zentral sind.

Methode oder Hypothese: Im Rahmen der Ist-Analyse eines vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Interventionsprojektes zur Optimierung der Versorgung am Lebensende (FK: 01VSF17028) wurden leitfadengestützte After-Death-Interviews mit Angehörigen geführt. Die Rekrutierung erfolgte durch die beteiligten hausärztlichen Projektpraxen. Eingeschlossen wurden Angehörige (Alter ≥ 18 Jahre) von im Jahr 2018 verstorbenen Patient*innen, die mit diesen Patient*innen im letzten Lebensjahr kontinuierlich in Kontakt standen. Die Interviews wurden von zwei Studienmitarbeiterinnen geführt, digital aufgezeichnet und inhaltsanalytisch mit einem deduktiv-induktiven Ansatz ausgewertet. Dabei wurde auf die Software MAXQDA zurückgegriffen.

Ergebnisse: Im Sommer 2019 wurden 28 leitfadengestützte After-Death-Interviews mit 30 Angehörigen (23 weiblich, Alter: 32 bis 83 Jahre) geführt. Sie standen zumeist in einer Partner- oder Eltern-Kind-Beziehung zu den Verstorbenen. Als zentrale Kategorien erwiesen sich in der Analyse die Kommunikation über Sterben und Tod, Sensibilität für Unterstützungsbedürfnisse, Information und Beratung sowie professionelle Kooperation und Abstimmung. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem pflegende Angehörige eine offene Kommunikation über Sterben und Tod sowie eine Sensibilität für ihre Bedürfnisse wertschätzen und diese als hilfreich für die Situationsbewältigung erleben. Als zentral kristallisierte sich eine frühzeitige und kontinuierliche Information und Beratung im Krankheitsverlauf heraus, auch um dem Wunsch der Erkrankten nach einem Verbleib in der Häuslichkeit entsprechen zu können. Mangelnde Kooperation und Abstimmung erwiesen sich als zusätzliche Belastungsfaktoren. Deutlich wird, dass die Hausärzt*innen als erste Ansprechpartner*innen wichtig für das frühzeitige Erkennen von Unterstützungsbedarf sind.

Diskussion: Die Ergebnisse unterstreichen den Stellenwert einer frühzeitigen offenen Kommunikation und Integration der Angehörigen in das Versorgungsgeschehen für eine optimale Versorgung am Lebensende. Wesentlich sind ferner eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Beratung, Unterstützung und Versorgungskoordination.

Praktische Implikationen: Die frühzeitige Identifikation palliativer Bedürfnisse der Patient*innen und ihrer Angehörigen ist Voraussetzung für eine rechtzeitige Einleitung angezeigter Maßnahmen und eine adäquate Integration von Angehörigen in das Versorgungsgeschehen.

Förderung: Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Innovationsfonds: 01VSF17028.