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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Barrieren bei der Antragstellung zur onkologischen Rehabilitation: Ergebnisse einer quantitativen Expertenbefragung

Meeting Abstract

  • Carolin Dresch - Klinik für onkologische Rehabilitation, Universitätsklinikum Freiburg
  • Joachim Weis - Stiftungsprofessur Selbsthilfeforschung, Universitätsklinikum Freiburg
  • Hans Helge Bartsch - Klinik für onkologische Rehabilitation, Universitätsklinikum Freiburg
  • Phillip Maiwald - Klinik für onkologische Rehabilitation, Universitätsklinikum Freiburg
  • Jan Valentini - Institut für Allgemeinmedizin & Interprofessionelle Versorgung, Universitätsklinikum Tübingen
  • Vitali Heidt - Wissenschaftliches Institut der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO)
  • Ulrich Kurlemann - Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e.V. (DVSG), Universitätsklinikum Münster

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf160

doi: 10.3205/20dkvf160, urn:nbn:de:0183-20dkvf1602

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Dresch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Daten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zeigen in den letzten Jahren stagnierende bis rückläufige Raten bei der Antragstellung zu onkologischen Rehabilitationsmaßnahmen auf. Bestehende Veröffentlichungen zu möglichen Gründen für diese Nichtinanspruchnahme beschränken sich zumeist auf patientenseitige Untersuchungen. Obwohl die in der onkologischen Versorgung und Beratung tätigen Experten in bedeutendem Maße die Antragstellung über Informationsvermittlung, Bedarfserhebung sowie andere Maßnahmen steuern, fand deren Sichtweise in der aktuellen Studienlage bisher kaum Berücksichtigung.

Fragestellung und Zielsetzung: In dieser von der DRV Bund geförderten Studie wurden Barrieren bei der Antragstellung zur onkologischen Rehabilitation aus Sicht von verschiedenen Expertengruppen identifiziert und auf Grundlage der gewonnenen Studienergebnisse Handlungsempfehlungen für einen erleichterten Rehabilitationszugang abgeleitet.

Methode oder Hypothese: Es handelt sich um eine Querschnittserhebung mit qualitativer und quantitativer Methodik. Auf Basis von 61 Leitfadeninterviews wurde ein Fragebogeninstrument mit 55 Items zu möglichen Barrieren konzipiert. Die Bewertung erfolgte auf einer sechsstufigen Zustimmungs- oder Häufigkeitsskala (1-6), wobei hohe Werte anzeigen, dass der genannte Aspekt als antragshinderlich wahrgenommen wird. Nach erfolgten Prä-Testungen (Expertenurteil, Think-aloud-Methode) wurde das Instrument online eingesetzt. Teilnehmende mit mehr als 1/3 fehlenden Werten wurden ausgeschlossen und fehlende Werte mittels EM-Algorithmus ersetzt. Anhand von Mittelwertanalysen konnten die relevantesten Barrieren identifiziert werden.

Ergebnisse: Nach erfolgter Datenbereinigung wurden 606 Personen in die Analyse eingeschlossen: 249 Ärzte, 194 Sozialarbeiter, 105 MFA/Pflegepersonal, 55 Psychologen/Psychoonkologen, drei Sonstige. Die befragten Experten waren im Mittel 51 Jahre alt (SD=10.40) und seit 17 Jahren (SD=9.75) im onkologischen Bereich tätig. Die folgenden Aspekte wurden als die stärksten Barrieren bewertet: eine zu schwierige Vermittlung von multimorbiden Patienten (M=4.55, SD=1.31), das für Patienten mit Migrationshintergrund schlecht verständliche Antragsverfahren (M=4.27, SD=1.34), die zu starre AHB-Frist (M=4.21, SD=1.42), der Wunsch des Patienten nach Normalität (M=4.18, SD=1.30).

Diskussion: Um notwendige Strategien zur Optimierung der Versorgungssteuerung auf verschiedenen Ebenen auszuarbeiten, müssen die Ergebnisse aus unserer Expertenstudie mit Studienergebnissen, die den Sachverhalt aus Patientenperspektive untersuchen, ergänzt werden. Nur durch die Verbindung beider Perspektiven wird eine verlässliche Grundlage für Handlungsempfehlungen geschaffen.

Praktische Implikationen: Folgende Handlungsempfehlungen für einen erleichterten Rehabilitationszugang können aus Expertensicht abgeleitet werden: Flexibilisierung der AHB-Frist, Vereinfachung der Antragstellung, Bereitstellung von Anträgen/Informationsmaterialien in weiteren Sprachen, Ausrichtung der Reha-Kliniken auf spezifische Patientengruppen, Ausbau an ambulanten Reha-Angeboten.