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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Interrupted-Time-Series Studien: Aktuelle methodische Entwicklungen und Stellenwert in der Versorgungsforschung

Meeting Abstract

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  • Tim Mathes - IFOM, Universität Witten/Herdecke
  • Stephanie Polus - Institut für Medizinische Informationsverarbeitung Biometrie und Epidemiologie (IBE), LMU München

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf157

doi: 10.3205/20dkvf157, urn:nbn:de:0183-20dkvf1571

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Mathes et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Interrupted-Time-Series Studien (ITSs) zählen zu den stärksten quasi-experimentellen Studiendesigns. Sie können für die Evaluation von Interventionen eingesetzt werden, die zu einem klar definierten Zeitpunkt eingeführt werden und eine Kohorte/Kluster von Individuen betreffen (z.B. Disease Management Programme). Dafür vergleicht man Endpunktdaten vor und nach Einführung der Intervention. Mit einer ITSs ist es möglich einen unterliegenden Zeittrend (z.B. Steigerung der Lebenserwartung) zu bereinigen, wodurch die größte Schwäche von „gewöhnlichen“ Vorher-Nachher-Studien überwunden wird. Um eine Änderung des Zeittrends messen zu können, müssen sowohl vorher als auch nachher Endpunktdaten für mehrere Erhebungszeitpunkte vorliegen.

Eine individuelle (randomisierte) Zuteilung der Intervention kann sehr schwierig sein oder die Gefahr von Kontamination mit sich bringen. ITSs sind hier ein mögliches alternatives Studiendesign. Zudem können ITSs auch retrospektiv (z.B. unter Verwendung von Routinedaten) angewendet werden.

Fragestellung und Zielsetzung: Diese Arbeit betrachtet die folgenden Fragestellungen. In welchen Themengebieten werden ITSs bisher vornehmlich angewendet? Welche statistischen Methoden werden vornehmlich eingesetzt? Weichen die Effektschätzer von RCTs und ITSs ab?

Methode oder Hypothese: Es wurde eine umfassende Recherche nach internationaler methodischer Literatur zu ITSs durchgeführt.

Ergebnisse: ITSs werden bisher insbesondere zur Evaluation von politischen Maßnahmen und Programmen (z.B. Organisation of Care) eingesetzt. Das Interventionsniveau sind zumeist Krankenhäuser oder Arztpraxen. Der überwiegende Teil der Publikationen zu ITSs kommt aus den USA und UK. Die angewandten Auswertungsmethoden sind sehr heterogen. Die am häufigsten angewandten Analysemethoden sind „autoregressive integrated moving-averages“ und Methoden der generalisierten linearen Regression, die Autokorrelation berücksichtigen.

Drei metaepidemiologische Studien zur Analyse von Abweichungen der Effektschätzer aus (Kluster)-RCTs und ITSs zeigen, dass die Ergebnisse der beiden Studiendesigns vergleichbar sind.

Diskussion: Momentan werden ITSs insbesondere im Bereich Public Health und Health Policy angewendet. Grund hierfür ist vermutlich, dass bei Interventionen in diesem Bereich eine Randomisierung auch auf Klusterebene mitunter sehr schwierig sein kann bzw. nicht möglich ist (z.B. Gesetze). Eine individuelle Zuteilung der Intervention und Machbarkeitsbarrieren aufgrund des Studienkontexts stellen auch in der Versorgungsforschung ein häufiges Problem dar.

Praktische Implikationen: Auch für die Evaluation von Interventionen im Bereich der Versorgungsforschung, welche auf Klusterebene implementiert werden, können ITSs potentiell ein wertvolles Studiendesign sein, vorausgesetzt es ist möglich den unterliegenden Trend adäquat zu bereinigen. ITSs sollten nur durchgeführt werden, wenn die Durchführung einer kluster-randomisierten Studie oder eines anderen Studiendesigns mit tendenziell höherer internen Validität (z.B. Controlled-Before-After Studie) nicht möglich ist.