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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Eine semiautomatisierte explorative Analyse von Begleit- und Folgeerkrankungen im Fall-Kontroll-Design am Anwendungsbeispiel der juvenilen idiopathischen Athritis

Meeting Abstract

  • Jakob Holstiege - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Fachbereich Epidemiologie und Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland
  • Annika Steffen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Fachbereich Epidemiologie und Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland
  • Manas Akmatov - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Fachbereich Epidemiologie und Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland
  • Jörg Bätzing - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Fachbereich Epidemiologie und Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf154

doi: 10.3205/20dkvf154, urn:nbn:de:0183-20dkvf1545

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Holstiege et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit einer Prävalenz von 0,11% (2015) ist die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) die unter Kindern und Jugendlichen häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung in Deutschland. Untersuchungen zeigen eine erhöhte Prävalenz von Folge- und Begleiterkrankungen bei JIA-Patienten, einschließlich von Diabetes Typ 1, (medikationsbedingter) Wachstumsstörungen, entzündlichen Augenerkrankungen und psychischen Erkrankungen. Allerdings lag der Fokus bisheriger Studien zumeist auf einzelnen Folge- und Begleiterkrankungen oder es wurden nur relativ kleine Patientenkollektive untersucht.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel war eine umfassende explorative Analyse des Morbiditätsspektrums in der vertragsärztlichen Versorgung bei gesetzlich krankenversicherten Kindern und Jugendlichen mit diagnostizierter JIA.

Methode oder Hypothese: Kinder und Jugendliche (0–15 Jahre) wurden auf Basis einer Vollerfassung deutschlandweiter vertragsärztlicher Abrechnungsdaten eingeschlossen, wenn sie im Jahr 2018 in zumindest zwei Quartalen eine gesicherte JIA-Diagnose (ICD: M08.-) aufwiesen. Die Analyse des JIA-assoziierten Morbiditätsspektrums im Jahr 2018 erfolgte in Bezug auf die ICD-Diagnosegruppen und im Vergleich zu Kontrollen, die im Verhältnis 1:10 nach Alter, Geschlecht und Region (KV-Bereich) gematcht wurden. Prävalenz-Ratios (PRs) wurden als Quotient der Prävalenz bei JIA-Patienten und Kontrollen bestimmt. Die Analyse erfolgte anhand eines generischen SAS 9.4-basierten Abfrage-Tools für austauschbare Indexerkrankungen.

Ergebnisse: Im Jahr 2018 wurden 8.383 JIA-Patienten (Altersmedian: 11 Jahre,%-weiblich: 66) eingeschlossen. Insgesamt 21 von 22 datenschutzkonform auswertbaren Diagnosekapiteln zeigten ein PR zwischen 1,1 (Krankheiten des Atmungssystems) und 3,7 (Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems). PRs ≥2 fanden sich außerdem für die Kapitel Krankheiten des Blutes (3,4), des Kreislausystems (2,2) und des Auges (2,1) (Psychische und Verhaltensstörungen: 1,3). Mit einer Prävalenz von 15% bei JIA-Patienten und einem PR von 27,5 wies die Diagnosegruppe „Affektionen von Sklera, Hornhaut, Iris und Ziliarkörper“ die stärkste Assoziation mit einer JIA auf, gefolgt von „Affektionen der Linse“ (Prävalenz: 2,2%; PR: 21,1). Von 158 datenschutzkonform auswertbaren Diagnosegruppen wiesen 130 PRs von ≥1,25, 88 von ≥1,5, 48 von ≥2,0 und 30 von ≥3,0 auf.

Diskussion: Nach Kenntnis der Autoren ist dies die erste umfassende Exploration des JIA-assoziierten Morbiditätsspektrums in einem sehr großen Patientenkollektiv, das die große Mehrheit der betroffenen Kinder und Jugendlichen in Deutschland einschließt. Die Analyse bestätigt bekannte Organkomplikationen (z.B. Augenerkrankungen) und Komorbiditäten (z.B. Erkrankungen der Psyche) und illustriert darüber hinaus eine global erhöhte JIA-assoziierte Morbiditätslast, die sich nahezu über die gesamte ICD-Systematik erstreckt.

Praktische Implikationen: Substanziell erhöhte Häufigkeiten eines breiten Spektrums an Begleit- und Folgeerkrankungen unterstreichen die elementare Bedeutung eines interdisziplinären Behandlungsansatzes der JIA.