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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

„Nee, nee. Brandenburg ist zu groß für einen Zweitmeiner“ – die aktuelle Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren aus Sicht der Fachärzt*innen

Meeting Abstract

  • Susann May - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Dunja Bruch - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Alexander Alexandrov - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Sebastian von Peter - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Cecile Ronckers - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
  • Edmund Neugebauer - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf152

doi: 10.3205/20dkvf152, urn:nbn:de:0183-20dkvf1528

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 May et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Das Recht auf Zweitmeinung (ZM) ist gesetzlich verankert (§ 27b SGB V) und seit 2018 ist die neue Richtlinie (RL) zur ZM bei planbaren Eingriffen, wie der Hysterektomie, Tonsillotomie und Tonsillektomie in Kraft getreten [1]; ergänzt um die Indikation Schulterarthroskopie seit 2020. Ziele dieser Richtlinie sind die Reduktion medizinisch nicht notwendiger Operationen und die Unterstützung der Patient*innen bei der Entscheidungsfindung [1]. Die Einstellung zu ZM-verfahren aus ärztlicher Sicht ist im deutschsprachigen Raum noch unzureichend untersucht. Studien anderer Länder belegen, dass Ärzt*innen positiv gegenüber ZM eingestellt sind und positive Auswirkungen auf die Patientenzufriedenheit und die Qualität der Versorgung erwarten [2].

Fragestellung und Zielsetzung:

  • Welche Einstellung haben Ärzt*innen zum Einholen einer ZM?
  • Welche Ressourcen und Hürden sehen Ärzt*innen in der Umsetzung der Zweitmeinungsrichtlinie?

Methode oder Hypothese: Es wurden Fachärzt*innen (n geplant >15) aus ländlichen und urbanen Regionen Deutschlands mittels leitfadengestützer Interviews zu ihrer persönlichen Haltung in Bezug auf ZM sowie zur Umsetzung der aktuellen RL befragt. Die transkribierten Interviews wurden mittels thematischer Inhaltsanalyse nach Kuckartz [3] mit MAXQDA ausgewertet.

Ergebnisse: Die Fachärzt*innen haben eine positive Einstellung gegenüber ZM, weisen jedoch auf strukturelle Probleme hinsichtlich der Umsetzung des aktuellen Verfahrens hin: Neben einem erhöhten organisatorischen Aufwand kritisierten die Fachärzt*innen die Richtlinie hinsichtlich der Umsetzung in Flächenländern mit geringer Fachärzt*innendichte. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Verunsicherung durch die ZM bei Patient*innen. Die Ziele der Unterstützung der Patient*innen bei der Entscheidungsfindung und der Vermeidung von unnötigen Operationen werden aus Sicht der Ärzt*innen durch die Einführung der Richtlinie nicht erfüllt.

Diskussion: Summativ ist die ZM ein wichtiges Instrument der Patient*innennautonomie, dessen mangelnde Inanspruchnahme auf Patient*innenseite durch Veränderung der einflussnehmenden Parameter erhöht werden könnte. Das Ziel der Reduktion medizinisch nicht notwendiger Operationen muss vor dem Hintergrund der bereits vor Einführung der RL sinkenden Operationsraten betrachtet werden.

Praktische Implikationen: Barrieren, die die Umsetzung der aktuellen Richtlinie erschweren, müssen stärker fokussiert und an dem Praxisalltag ausgerichtet werden.


Literatur

1.
Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Konkretisierung des Anspruchs auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung gemäß § 27b Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). 2018.
2.
Shin DW, Cho J, Yang HK, Kim SY, Mok HK, Lee H, Park SM, Huh JS, Ryu J, Park JH. Attitudes towards second opinion services in cancer care: a nationwide survey of oncologists in Korea. Jpn J Clin Oncol. 2016 May;46(5):441-7. DOI: 10.1093/jjco/hyw016 Externer Link
3.
Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse. 4. ed. Weinheim: Beltz Juventa; 2018.