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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Psychoonkologische Versorgung von Krebspatienten mit Migrationshintergrund („POM-Studie“) – erste Ergebnisse der qualitativen Interviews mit Ärztinnen und Ärzten

Meeting Abstract

  • Isabelle Hempler - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO) GmbH, Köln, Deutschland
  • Nicola Riccetti - Institut für med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Klinik der Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland
  • Kerstin Hermes-Moll - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO) GmbH, Köln, Deutschland
  • Vitali Heidt - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO) GmbH, Köln, Deutschland
  • Susanne Singer - Institut für med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Klinik der Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf135

doi: 10.3205/20dkvf135, urn:nbn:de:0183-20dkvf1351

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Hempler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Etwa die Hälfte der krebskranken Menschen in Deutschland leidet zumindest zeitweise unter starken psychischen oder sozialen Belastungen. In der Regel ist mindestens ein/e Angehörige/r mitbetroffen. Über die psychoonkologische Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund und einer Krebsdiagnose (MMH) und deren Angehörigen ist jedoch nur wenig bekannt. Dies trifft vor allem auf die wachsende Gruppe der Menschen aus Asien und Afrika zu. Das nachfolgend beschriebene Projekt wird von der Stiftung Deutsche Krebshilfe gefördert.

Zielsetzung: Ziel des Projektes ist es, die Strukturen und Prozesse im Umgang mit psychischen Belastungen von MMH, insbesondere aus dem Nahen und Mittleren Osten, sowie deren Angehörigen zu untersuchen. Basierend auf dem subjektiven Versorgungsbedarf sowie den Versorgungswünschen der Befragten sollen anschließend Empfehlungen für die psychoonkologische Versorgung entwickelt und bereitgestellt werden.

Methode: Zur Beantwortung der Fragestellung kommt ein mehrstufiges Mixed-Methods-Design mit sequenziellem Vorgehen zum Einsatz. Im ersten Teil werden Ärztinnen und Ärzten aus der ambulanten onkologisch-hämatologischen Versorgung sowie MMH und Angehörige in leitfadengestützten Einzelinterviews befragt. Die erhobenen Daten werden in Anlehnung an die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz mithilfe der Analysesoftware MAXQDA 2020 ausgewertet und anschließend im zweiten Teil zur Entwicklung standardisierter Fragebögen genutzt. In einer bundesweiten quantitativen Erhebung sollen dann 1) psychische Belastungen, sozio-ökonomische und medizinische Daten von MMH und deren Angehörigen erhoben und 2) Ärztinnen und Ärzte zu ihrer Einschätzung der psychoonkologischen Versorgung von MMH befragt werden.

Ergebnisse: Für den ersten Teil des Projekts wurden bislang bundesweit acht Ärztinnen (n=2) und Ärzte (n=6) aus der onkologisch-hämatologischen Versorgung in Einzelinterviews befragt. Die Dauer des erhobenen Gesamtmaterials beträgt insgesamt 3,5 Stunden. Bisher lassen sich inhaltlich folgende Themen erkennen: Kommunikative Verständigungsprobleme aufgrund von Sprachbarrieren sowie zum Teil kaum vorhandene Netzwerke für die ambulante psychoonkologische Behandlung können den Ablauf der Therapie, den Zugangsweg und die Inanspruchnahme für MMH erschweren.

Diskussion: Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Befragten von einer erschwerten Interaktion zwischen Ärztin/Arzt und MMH sowie deren Angehörigen sprechen. Dies liegt zum einen an der sprachlichen Barriere, zum anderen jedoch auch an der subjektiven Krankheitstheorie sowie den kulturellen und religiösen Unterschieden der Menschen. Weitere Auswertungen werden zeigen, wie die aktuelle psychoonkologische Versorgung derzeit abläuft und mit welchen Schwierigkeiten die Befragten konfrontiert sind.

Praktische Implikationen: Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die psychoonkologische Versorgung von MMH sowie deren Angehörigen den individuellen und kulturellen Unterschieden angepasst werden muss. Dies erfordert u.a. eine verbesserte kultursensible Interaktion sowie individuell angepasste Versorgungsangebote und Maßnahmen.