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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Patientinnenteilnahme an multidisziplinären Tumorkonferenzen: wie wird sie praktiziert?

Meeting Abstract

  • Lena Ansmann - Abteilung für Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften, Universität Oldenburg, Oldenburg, Deutschland
  • Christian Heuser - Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
  • Annika Diekmann - Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
  • Barbara Schellenberger - Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland
  • Nicole Ernstmann - Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf129

doi: 10.3205/20dkvf129, urn:nbn:de:0183-20dkvf1297

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Ansmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Multidisziplinäre Tumorkonferenzen (MTK) sind international als Standard in der onkologischen Versorgung etabliert. Nationale Studien haben ergeben, dass in einigen Brustkrebszentren Patientinnen eingeladen werden an der Diskussion ihres eigenen Falls teilzunehmen [1]. Die Umsetzung dessen und die Implikationen sind bisher kaum erforscht worden. In der PINTU-Studie werden diese Praxis und damit zusammenhängende Chancen und Risiken erstmals untersucht.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser Arbeit ist es, die Ausgestaltung der Patientinnenteilnahme an MTK in Brustkrebszentren zu beschreiben. Es werden die folgenden Forschungsfragen verfolgt:

1.
Wie wird die Teilnahme an MTK praktiziert?
2.
Welche Rolle nehmen Patientinnen in der MTK ein?
3.
Wie erleben Patientinnen die Teilnahme an der MTK?

Methode oder Hypothese: Es wurden MTK mit Patientinnenteilnahme in 6 Brustkrebszentren in Nordrhein-Westfalen untersucht. Die Fallbesprechungen wurden mittels teilnehmender Beobachtung mit Audio- bzw. Videoaufnahmen und einem strukturierten Beobachtungsprotokoll untersucht. Zudem wurden die Patientinnen prospektiv u.a. zu ihren Erwartungen und Erfahrungen mit der Patientinnenteilnahme befragt: vor (T0), nach (T1) und vier Wochen nach der MTK (T2). Daten der Beobachtungsprotokolle und Befragungen werden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Es konnten n=94 Patientinnen mit MTK-Teilnahme rekrutiert werden. Rücklaufquoten der Befragung variierten zwischen 89% bei T0, 95% bei T1 und 88% bei T2. Die Ergebnisse zeigen, dass Falldiskussionen mit Patientinnenteilnahme länger dauerten und die Ausgestaltung zwischen den Zentren stark variierte. In einigen Zentren wurden Patientinnen auf die MTK vorbereitet, nahmen an der gesamten Falldiskussion teil und wurden nach der MTK von einer Breast Care Nurse unterstützt. In anderen Zentren wurden die Fälle im multidisziplinären Team vordiskutiert und die Patientinnen erhielten in der MTK eine Erklärung der Behandlungsempfehlung. Detaillierte Ergebnisse werden bis zum Kongress vorliegen.

Diskussion: Die Ergebnisse geben bisher einmalige Einblicke in ein Phänomen, das zwar in einigen Zentren zur Realität im Versorgungsalltag gehört, aber dessen Ausgestaltung sowie Chancen und Risiken bisher kaum erforscht sind. Empfehlungen für oder gegen die Patientinnenteilnahme in MTK können erst nach Auswertung aller uns vorliegenden Daten ausgesprochen werden.

Praktische Implikationen: Die Patientinnenteilnahme an MTK ist ein innerhalb der Onkologie und der Versorgungsforschung kontroverses Thema. Einige Zentren praktizieren die Patientinnenteilnahme seit vielen Jahren, andere lehnen dies ab. Für beide Haltungen gibt es plausible Erklärungen: zum einen eine patientenzentriertere Therapieempfehlung, das Schaffen von Vertrauen in die Behandlung; zum anderen Überforderung und Angst, gehemmte Falldiskussionen sowie ein zu hoher Zeitaufwand. Diesen Erklärungen wird in der PINTU-Studie auf den Grund gegangen.


Literatur

1.
Ansmann L, Kowalski C, Pfaff H, Wuerstlein R, Wirtz MA, Ernstmann N. Patient participation in multidisciplinary tumor conferences. Breast. 2014 Dec;23(6):865-9. DOI: 10.1016/j.breast.2014.09.004 Externer Link