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Was passiert nach einem nicht-indizierten Ultraschall der Schilddrüse? Analyse von Behandlungsverläufen anhand von Daten der KV-Bayern
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Ein Ultraschallscreening auf Schilddrüsenerkrankungen bei symptomfreien Patienten wird nicht empfohlen. Es gilt als möglicher Auslöser für Überversorgung. Wir vermuteten, dass ein graues Ultraschallscreening Kaskadeneffekte auslösen kann. Kaskadeneffekte sind definiert als eine Kette diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen, die einmal begonnen nur schwer unterbrochen werden kann. Ziel unseres Projektes ist es, solche Kaskadeneffekte zu identifizieren und zu beschreiben.
Fragestellung und Zielsetzung: Welche Patienten sind besonders betroffen? Gibt es Subgruppen mit unterschiedlichen Behandlungsverläufen? Wie unterscheiden sich diese Gruppen?
Methode oder Hypothese: Retrospektive Analyse eines Datensatzes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (2012 bis 2017). Untersucht wurden Daten von Patienten mit nicht-indiziertem Schilddrüsen-Ultraschall, definiert als erstmaliger TSH-Test ohne die Diagnose einer Funktionsstörung, gefolgt von einem Ultraschall der Schilddrüse innerhalb von 28 Tagen. Um Subgruppen zu identifizieren wurde eine hierarchische agglomerative Clusteranalyse nach der Häufigkeit von schilddrüsenspezifischen Untersuchungen (TSH-Tests, Sonografie Schilddrüse) im Zeitverlauf (fünf Jahre) durchgeführt.
Ergebnisse: In die Analyse gingen Daten von 82.130 Personen ein. Es wurde eine Lösung mit vier Clustern gefunden: (1) N=22.8%; 1 TSH-Test, (2) N=16.6%; 4 TSH-Tests, (3) N=54.4%; 4 TSH-Tests und 1 Sonografie und (4) N=6.2% (10 TSH-Tests und 4 Sonografien). Es fanden also bei etwa 6% (N=5.111) vermehrt Untersuchungen statt (im Mittel 10,9 Quartale mit mindestens einem TSH-Test und 3,8 Quartale mit mindestens einem Ultraschall der Schilddrüse). In der Gruppe dieser häufiger untersuchten Personen fanden sich mehr Frauen (76% im Vergleich zu 60% Gesamtstichprobe), ein höherer Anteil an Personen, die in Städten leben (31% im Vergleich zu 27% Gesamtstichprobe), mehr Personen mit mindestens einer Begleiterkrankung anhand des Charlson Score (46% im Vergleich zu 39% Gesamtstichprobe). Allerdings fanden sich nur bei 45% dieser Personen Diagnosen, die regelmäßige TSH-Kontrollen oder Ultraschalluntersuchungen der Schilddrüse rechtfertigen würden.
Diskussion: Nicht-indizierte Untersuchungen können zu eigentlich vermeidbaren Folgeuntersuchungen führen, die für den Patienten nicht notwendig sind.
Praktische Implikationen: Das Projekt soll einen Beitrag zur Identifikation von Überversorgungsprozessen leisten. Es wurde im Rahmen des BMBF-geförderten Netzwerkes PRO PRICARE durchgeführt.