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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Warum lehnen Teile der Bevölkerung in Deutschland behördliche Empfehlungen und Maßnahmen zum Schutz vor SARS-CoV-2/COVID-19 ab? Eine qualitative Untersuchung von Social-Media-Beiträgen

Meeting Abstract

  • Patrick Brzoska - Witten/Herdecke University, Health Services Research, Witten, Deutschland
  • Diana Wahidie - Witten/Herdecke University, Health Services Research, Witten, Deutschland
  • Yüce Yilmaz-Aslan - Witten/Herdecke University, Health Services Research, Witten, Deutschland; Bielefeld University, Epidemiology & Int. Public Health, Bielefeld, Deutschland
  • Sabahat Ölcer - Witten/Herdecke University, Health Services Research, Witten, Deutschland
  • Tugba Aksakal - Witten/Herdecke University, Health Services Research, Witten, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf054

doi: 10.3205/20dkvf054, urn:nbn:de:0183-20dkvf0547

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Brzoska et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die COVID-19-Pandemie stellt eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen seit Ende des Zweiten Weltkriegs dar, die für viele Menschen zahlreiche Veränderungen mit sich bringt. Um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu verlangsamen und die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, haben Bund und Länder Schutzmaßnahmen ergriffen, die weitreichende Folgen für die Bevölkerung haben. Diese Maßnahmen umfassen u.a. die zeitweise Einschränkung des Betriebs von Freizeiteinrichtungen sowie unterschiedliche Arten von Kontakt- und Reiseeinschränkungen. Die Maßnahmen rufen gemischte Reaktion hervor, wobei einige Personen Empfehlungen und Vorgaben ignorieren und z.B. empfohlene Abstände und Kontaktbeschränkungen nicht einhalten.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Studie war es, auf Basis der Beiträge in ausgewählten sozialen Medien die Gründe zu ermitteln, warum Teile der Bevölkerung Infektionsschutzmaßnahmen und -empfehlungen der Behörden ignorieren und welche Einstellungen und Überzeugungen ihr Denken bei der Bewertung der Risiken von SARS-CoV-2 und COVID-19 leiten.

Methode oder Hypothese: Drei Social-Media-Foren (Facebook, Twitter und der Kommentarbereich von YouTube) wurden systematisch hinsichtlich der Einstellungen und Überzeugungen über „Social Distancing” und andere Schutzmaßnahmen mittels qualitativer Dokumenten- und Inhaltsanalyse untersucht. Die Daten wurden im Zeitraum vom 9. bis zum 20. April 2020 abgerufen und beziehen sich auf deutschsprachige Beiträge, die Nutzer/innen im Zeitraum 2. März bis 18. April 2020 vorgenommen haben.

Ergebnisse: Fünf relevante Hauptkategorien, jeweils mit einer unterschiedlichen Zahl von Unterkategorien, wurden im Zusammenhang mit der Ablehnung der Schutzmaßnahmen identifiziert: Fehlinformationen der Medien (Verbreitung falscher Informationen und Misstrauen), geringe Gesundheitskompetenz, Einschränkung der Grundrechte, die Rolle der Behörden (verspätete Reaktion der Regierung, unzureichende Vorbereitung des Gesundheitssystems, Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen und das mangelnde Vertrauen in das Robert Koch-Institut) sowie wirtschaftliche Auswirkungen der Pandemie.

Diskussion: Bei der Bewältigung globaler Public-Health-Krisen wie der COVID-19-Pandemie stellen Gesundheitsaufklärung und die Vermittlung qualifizierter Informationen relevante Determinanten dar, um das Vertrauen in Behörden sowie und die Akzeptanz implementierter Maßnahmen zu erhöhen. Hierdurch können auch Fehlinformationen in sozialen Medien besser erkannt und verarbeitet werden. Die Studie unterstreicht damit auch die Relevanz qualitätsgesicherter Informationen in den sozialen Medien, um die Irreführung der Bevölkerung zu verhindern.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Studie gewähren einen Einblick, wie die Bevölkerung in Deutschland mit den Maßnahmen zur Beschränkung des öffentlichen Lebens im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 umgeht. Erkenntnisse hierzu können einen Beitrag leisten, bevölkerungsbezogene Maßnahmen zum Umgang mit Public-Health-Krisen zielgruppensensibler zu kommunizieren und damit erfolgreicher implementieren zu können.