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Screening komorbider psychischer Störungen in der Notaufnahme bei Patient*innen mit akuten kardialen Beschwerden
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Bisherige Studien haben einen engen Zusammenhang von psychischen Störungen einerseits und kardiovaskulären Krankheiten andererseits in klinischen Stichproben sowie in der Allgemeinbevölkerung nachgewiesen [1]. Wenngleich der ungünstige Einfluss depressiver und Angststörungen auf kardiale Ereignisse, Morbidität und Mortalität gut belegt ist, so bleiben diese jedoch in der Notfallversorgung oft unbemerkt und unbehandelt insbesondere bei älteren und somatisch komplex kranken Patient*innen [2].
Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Untersuchung war die systematische Erfassung der Häufigkeit und Schwere psychischer Störungen bei Notaufnahmepatient*innen mit akuten kardialen Beschwerden.
Methode oder Hypothese: In die prospektive und multizentrische Kohortenstudie wurden Patient*innen konsekutiv eingeschlossen, die mindestens 50 Jahre alt waren und sich aufgrund akuter kardialer Beschwerden in einer der acht teilnehmenden Notaufnahmen vorstellten. Der Rekrutierungszeitraum erstreckte sich von Juni 2017 bis September 2018. Die Patient*innen wurden über die Studie aufgeklärt und bei Teilnahmeeinverständnis gebeten, Tablet-gestützt einen Fragebogen zu ihrem psychischen Gesundheitszustand (Patient Health Questionnaire, PHQ) auszufüllen. Die Untersuchung war beobachtend und nicht interventionell.
Ergebnisse: Insgesamt wurden N=644 Patient*innen in die Studie eingeschlossen; Alter 69 ± 11 Jahre; 42% weiblich. Die Patient*innen berichteten Brustschmerzen (38%), Palpitationen (35%) und Atemnot (32%) als häufigste Vorstellungsgründe. In den PHQ-Auswertungen gaben 28% der Patient*innen eine klinisch bedeutsame psychische Symptomlast an. Hinweise auf eine Depression (PHQ-9) fanden sich in 23%, generalisierte Angststörung (GAD-7) in 12% und Panikstörung (PHQ-PD) in 5% der Patient*innen. Frauen waren insgesamt häufiger betroffen im Vergleich zu Männern.
Diskussion: Die systematisch erfassten Screening-Ergebnisse zeigen eine hohe Prävalenz depressiver und Angststörungen bei Notaufnahmepatient*innen mit akuten kardialen Beschwerden. Die Ergebnisse weisen auf einen geschlechtsspezifischen Versorgungsbedarf in der Notaufnahme hin, der das Erkennen psychischer Komorbidität, das Mitteilen bzw. Aufklären über psychische Begleitsymptome sowie das Vermitteln in geeignete ambulante oder stationäre supportiv-psychotherapeutische Versorgungsstrukturen umfasst. Notaufnahmen haben somit das Potential, eine bedeutsame Schaltstelle darzustellen, die Krankheitsverläufe von Patient*innen mit kardiovaskulären Erkrankungen positiv zu beeinflussen.
Praktische Implikationen: Psychokardiologische Schulungen für Notaufnahmeärzte und Notaufnahmeärztinnen können einen Beitrag leisten, die Sensitivität für psychische Störungen zu erhöhen und die eigenen Kompetenzen in der Versorgung somatisch und psychisch erkrankter Patient*innen im Notaufnahmesetting zu erweitern.
Literatur
- 1.
- Correll CU, Solmi M, Veronese N, Bortolato B, Rosson S, Santonastaso P, Thapa-Chhetri N, Fornaro M, Gallicchio D, Collantoni E, Pigato G, Favaro A, Monaco F, Kohler C, Vancampfort D, Ward PB, Gaughran F, Carvalho AF, Stubbs B. Prevalence, incidence and mortality from cardiovascular disease in patients with pooled and specific severe mental illness: a large-scale meta-analysis of 3,211,768 patients and 113,383,368 controls. World Psychiatry. 2017 Jun;16(2):163-180. DOI: 10.1002/wps.20420
- 2.
- Zatzick D, Russo J, Rivara F, Roy-Byrne P, Jurkovich G, Katon W. The detection and treatment of posttraumatic distress and substance intoxication in the acute care inpatient setting. Gen Hosp Psychiatry. 2005 Jan-Feb;27(1):57-62. DOI: 10.1016/j.genhosppsych.2004.09.003