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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Wirkzusammenhänge des Gelingens und Scheiterns eines interprofessionellen Teamcoachingansatzes – eine Grounded Theory Studie

Meeting Abstract

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  • Janna Küllenberg - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Psychologie und Soziologie, Freiburg, Germany
  • Sonja Becker - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Medizinische Psychologie und Soziologie, Freiburg, Germany
  • Mirjam Körner - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Medizinische Psychologie und Soziologie, Freiburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf499

doi: 10.3205/19dkvf499, urn:nbn:de:0183-19dkvf4999

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Küllenberg et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Interprofessionelle Teams im Gesundheitsbereich müssen zunehmend neue und innovative Ansätze generieren, um komplexe gesundheitsbezogene Probleme zu lösen. In den letzten Jahren zeigte sich jedoch, dass sich durch die Zusammenarbeit über professionelle Grenzen hinaus Konflikte zeigen können und die gemeinsame Arbeit häufig nicht so erfolgreich ist, wie erwartet (WHO, 2010). Es entstanden bei der stetigen Förderung professioneller Diversität interprofessionelle Herausforderungen, die dazu führen, dass die potenziellen Synergieeffekte von interprofessionellen Teams nicht genutzt werden (Gilbert, Yan & Hoffman, 2010). Teamcoaching stellt eine effektive, jedoch bisher zu wenig genutzte Möglichkeit dar, interprofessionelle Teams und Führungskräfte im Gesundheitsbereich in ihrer Rolle zu stärken und kann in allen Phasen der medizinischen Karriere eingesetzt werden (Henochowicz und Hetherington, 2006). Alternative Führungsformen wie Shared Leadership oder Stewardship werden als Ansätze für Führungskräfte in interdisziplinären Settings vorgeschlagen (McCallin, 2003). Ziel sollte es sein, Kollegen im Sinne der geteilten Führung zu coachen, wobei die offene Diskussion und die Auseinandersetzung mit den Werten und der Vision des Teams zur Norm werden sollte. Der Fokus liegt auf dem Dialog als entscheidende Stellschraube, die gemeinsame Kultur in der Organisation zu reformieren (McCallin, 2003). Das Teamleader Coaching Tool (TCT) wurde basierend auf dem für den Kontext der medizinischen Rehabilitation entwickelten und evaluierten Vorgehen der „Patientenorientierten Teamentwicklung“ (PATENT, Körner, 2014) entwickelt. Entstanden ist ein Ansatz des interprofessionellen Teamcoachings mithilfe eines Train-the Trainer Ansatzes. Die Intervention besteht aus zwei Workshop Tagen im Abstand von acht Wochen und beinhaltetet die Themen Rollenreflexion der eigenen Führung, Haltung, Teamidentität, Ziele, Werte und Vision, Problem- und Lösungsreflexion (Becker, Küllenberg & Körner, 2019, in Arbeit).

Fragestellung: Die vorliegende Studie untersucht die Sichtweisen von interprofessionellen Teamleitern zu ihrem Führungs- und Coachingverständnis nach Implementierung eines Teamleitercoaching Workshops und exploriert die Wirkzusammenhänge des Gelingens und Scheiterns des interprofessionellen Teamcoachingansatzes.

Methode: Die Grounded Theory stellt eine interpretative Forschungsprogrammatik dar, mit dem Anspruch kontextualisiertes Wissen über soziale Prozesse zu generieren (Breuer et al., 2017). Als Auswertungsgrundlage dienen 21 leitfadengestützte, narrativ angelegte Telefoninterviews mit einer durchschnittlichen Länge von 51 Minuten, sowie Beobachtungsaufzeichnungen aus Teamsitzungen in den Kliniken und Protokollbögen der Beobachtungen des zweitägigen Workshops. An den Interviews nahmen n=21 Teamleiter aus Rehabilitationsreinrichtungen in Baden- Württemberg statt. Die Interviews wurden in einer Analysegruppe (n=4) unter Supervision einer Expertin der Grounded Theory Programmatik ausgewertet. Der Kodier Prozess wurde nach Strauss und Corbin (1996) anhand eines dreiteiligen ineinandergreifenden Schemas aus offenem, axialem und selektivem Kodieren durchgeführt. Mithilfe von Kodier Paradigmen als Strukturierungshilfe der entstehenden Theorie wurden um das Phänomen schrittweise, ursächliche Bedingungen, Handlungs- und interaktionale Strategien, Kontext, Konsequenzen und intervenierende Bedingungen verknüpft. Die entstehenden Kodier Paradigmen dienten zur Bildung des Grundmodells. Die Fälle wurden in das Grundmodell eingeordnet, mit dem Ziel ein Typenmodell zu entwickeln, das die Phänomene des Gelingens und Scheiterns der Intervention unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchten sollte.

Ergebnisse: Das entstehende Typisierungsmodell, aufgespannt in den berichteten Einsatz gelernter Methoden und den Grad der Selbstreflexion beschreibt vier verschiedene Typen in der Kernkategorie Bewusstwerdung. Die Gruppe der so genannten realistischen Gelinger zeichnet sich durch Strategien wie das Oszillieren zwischen Gestaltung und Akzeptanz der vorherrschenden Bedingungen, Aktives Einholen und Einfordern von Unterstützung, die aktive Herstellung von Anerkennungsverhältnissen, Verantwortungsübernahme und Beharrlichkeit aus.

Diskussion: Das entstandene Typisierungsmodell und die daraus extrahierten Strategien dienen einem ganzheitlicheren Verständnis entstehender Dynamiken bei der Implementierung einer Intervention im interprofessionellen Setting. Die Erkenntnisse geben Aufschluss über die besondere Rolle von Führungskräften als Coaches verschiedener Professionen und bieten Ansätze zur Entwicklung zukünftiger Interventionen zur Verbesserung der Zusammenarbeit interprofessioneller Teams.