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Die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen bei Jugendlichen mit wiederkehrenden Kopfschmerzen
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Veröffentlicht: | 2. Oktober 2019 |
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Hintergrund: Wiederkehrende Kopfschmerzen bei Jugendlichen stellen ein zunehmendes Gesundheitsproblem dar. Zumeist liegt den Kopfschmerzen keine körperliche Ursache zugrunde – sie sind funktionell. Dennoch werden häufig Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen. Prädiktoren für die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems von Jugendlichen mit wiederkehrenden Kopfschmerzen wurden bislang noch nicht identifiziert.
Fragestellung: Welche Faktoren sind bei Jugendlichen mit der Einnahme von Medikamenten oder dem Aufsuchen eines Arztes aufgrund von wiederkehrenden Kopfschmerzen assoziiert?
Methode: An fünf weiterführenden Schulen beantworteten N = 2284 Jugendliche im Alter von 9–18 Jahren (M=12,95, SD=1,84) eine Tabletbefragung unter anderem zu Schmerzen und der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen aufgrund von Schmerzen. Zudem nahmen N=1466 Eltern an einer Online-Befragung teil. Mittels multipler logistischer Regressionen wurde der Einfluss der Schmerzcharakteristika, soziodemographischer und psychologischer Eigenschaften, des Freizeitverhaltens sowie schulischer und elternbezogener Faktoren auf die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen untersucht.
Ergebnisse: Insgesamt berichteten 27% der Jugendlichen wiederkehrende Kopfschmerzen (mindestens einmal monatlich über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten). Von diesen Jugendlichen suchten 37% einen Arzt innerhalb der letzten 3 Monate auf und 76% nahmen Schmerzmedikamente ein. Es zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit einen Arzt wegen wiederkehrender Kopfschmerzen zu konsultieren mit zunehmenden schmerzbedingten Schulfehltagen (OR=2,70, p< .001), einer langen Schmerzdauer (über ein Jahr; OR=0,62, p=.026) und schmerzbedingter Medikamenteneinnahme (OR=1,98, p=.008) assoziiert ist.
Die Wahrscheinlichkeit, Medikamente zu nehmen, steigt mit dem Alter (OR=1,34, p< .001), mit zunehmender Schmerzintensität (OR=1,19, p=.014), zunehmenden schmerzbedingten Schulfehltagen (OR=1,9, p=.016) und mit der Konsultation eines Arztes (OR=2,01, p=.007). Das Freizeitverhalten und psychologische Eigenschaften der Jugendlichen, sowie elternbezogene Faktoren, wie chronische Schmerzen, Ängstlichkeit oder Depressivität der Eltern zeigten keinen signifikanten Einfluss.
Diskussion: Die hohen Zahlen insbesondere bei der Einnahme von Medikamenten verdeutlichen die Relevanz des Themas. Für die Medikamenteneinnahme und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen zeigen sich sowohl unterschiedliche als auch gemeinsame Prädiktoren. Für eine kausale Interpretation der Zusammenhänge müssen jedoch Längsschnittdaten herangezogen werden. Prägnant ist die jeweilige Assoziation zwischen dem Arztbesuch und der Medikamenteneinnahme. Anhaltspunkte über die Wirksamkeit der Inanspruchnahme müssen ebenfalls mithilfe longitudinaler Daten genauer untersucht werden.
Praktische Implikationen: Die vorliegenden Ergebnisse liefern erste Erkenntnisse für die Entwicklung zielgruppenspezifischer Versorgungs- und Präventionsangebote. Darüber hinaus legen sie nahe, dass die Vermittlung zielgruppenspezifischer, evidenzbasierter Informationen zur Arzneimittelanwendung und dem Umgang mit wiederkehrenden Schmerzen einen wichtigen Ansatzpunkt für die Gesundheit von Jugendlichen darstellen können.
Förderung: Diese Studie wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen: 01GY1615).