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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Erwartungen und Wünsche von Eltern an eine Familienkur – eine qualitative Untersuchung

Meeting Abstract

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  • Claudia Kirsch - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie, Hannover, Germany
  • Felix Barre - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie, Hannover, Germany
  • Friederike Otto - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie, Hannover, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf491

doi: 10.3205/19dkvf491, urn:nbn:de:0183-19dkvf4914

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Kirsch et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Bewältigung von familiären Belastungen oder Gesundheitsproblemen wird immer häufiger als gemeinsame Aufgabe von Müttern und Vätern verstanden. Dass eine stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme für Mütter, Väter und ihre Kinder (§§ 24 und 41 SGB V) die Belastungen und gesundheitlichen Beschwerden effektiv und nachhaltig verbessern kann, konnte schon in mehreren Studien gezeigt werden [1], [2]. Jedoch zeigt sich in Kurberatungsstellen und Kliniken eine steigende Nachfrage nach Familienkuren statt Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Maßnahmen. Ob und in welchem Maße eine Familienkur zur Verbesserung der gesundheitlichen wie auch familiären Situation beitragen kann, wurde aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage für diese Versorgungsform noch nicht untersucht. Laut §§ 24 und 41 SGB V können bislang nur Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Maßnahmen bewilligt werden.

Fragestellung: Welche Erwartungen und Wünsche haben Eltern an eine Familienkur hinsichtlich individueller und gemeinsamer Kurziele sowie therapeutischer Maßnahmen?

Methodik: Um die Erwartungen und Wünsche von Eltern an die Familienkur zu ermitteln, werden in einer Klinik, in der Mütter und Väter gemeinsam mit ihren Kindern aufgenommen werden, beide Elternteile mittels eines halbstandardisierten Leitfadens interviewt. Die aufgezeichneten Interviews werden transkribiert und mittels einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse [3] ausgewertet.

Ergebnisse: Die Hauptuntersuchung dauert noch an. Derzeitig konnten 11 von geplanten 20 Familien interviewt werden. Zur Konsentierung des Leitfadens wurde vorab ein Pretest durchgeführt. Im Pretest wurden 5 Familien (5 Mütter, 5 Väter) interviewt. Die Mütter waren 32-40 Jahre alt (M=36,6; SD=3,4) und die Väter 33-45 Jahre (M=40,2; SD=4,5). Alle 5 Paare sind miteinander verheiratet und haben 2 bez. 3 Kinder. 40% hatten einen mittleren Bildungsabschluss, 50% Abitur oder FH-Reife.

Der Pretest ergab folgende Ergebnisse:

Beantragung der Kur: Die Beantragung und Bewilligung einer Familienkur lief bei allen Familien über zwei getrennt gestellte Anträge entweder bei der gleichen oder zwei verschiedenen Krankenkassen. Einen gemeinsamen Antrag gab es nicht. Bemerkenswert ist, dass 3 Mütter und 1 Vater angaben, dass sie die Kur alleine mit den Kindern und ohne Partner nicht gemacht hätten, weil das für sie zu viel Stress bedeutet hätte.

Belastungen und Kurziele: Sowohl die Mütter als auch die Väter gaben jeweils an, unter Rückenproblemen und Erschöpfung aufgrund von Stress und Zeitmangel im Alltag und im Beruf zu leiden. Dementsprechend gaben 4 von 5 Frauen als Maßnahmeziel an, entspannen zu wollen. Die Väter wollten eher sportlich aktiv werden, um die Rückenbeschwerden zu lindern (4 von 5). Als gemeinsames Kurziel stand bei allen Interviewten die gemeinsame Zeit als Paar und in der Familie im Vordergrund. Bei 4 von 5 Paaren standen Probleme mit einem ihrer Kinder im Fokus.

Spezifische Motivation für die Familienkur: 7 von 10 Interviewten betonten, dass sie die gemeinsame Kur für sehr sinnvoll halten, um das System Familie zu stärken, gemeinsam Bewältigungsstrategien zu entwickeln und sich gegenseitig unterstützen zu können. 3 Personen gaben außerdem an, dass sie sich einen leichteren Zugang zu diesem Angebot auch für weitere Familien wünschen.

Diskussion: Trotz getrennt beantragter Mutter-Kind- und Vater-Kind-Maßnahmen und eigener medizinischer Indikation wurde die Vorsorgemaßnahme in derselben Einrichtung von den Müttern und Vätern ganz klar als Familienkur mit gemeinsamen familienbezogenen Zielen betrachtet. Die Hauptuntersuchung soll zeigen, ob die Ergebnisse aus dem Pretest bestätigt werden können. Gerade mit Blick auf die steigenden Kosten im Gesundheitswesen kommt einer nachhaltigen Förderung der gesundheitlichen, persönlichen und psychosozialen Ressourcen von Müttern und Vätern sowie einer stabilen Eltern-Kind-Beziehung eine besondere Bedeutung zu. Diese Förderung ist in Einrichtungen mit dem Angebot einer Familienkur möglich.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Hauptuntersuchung sollen Ausgangspunkt für eine quantitative Evaluationsstudie sein, die die kurz- und mittelfristigen Effekte in Bezug auf die Verbesserung von Gesundheits-, Partnerschafts- und Erziehungsproblemen sowie der Verbesserung der Mutter- bzw. Vater-Kind-Bindung abbildet.


Literatur

1.
Jaunzeme J, Otto F, Geyer S. Gesünder nach der Kur? Analyse von GKV-Daten mit Vorher-Nachher-Vergleich für Teilnehmerinnen einer Mutter-Kind-Maßnahme und Mütter ohne Kurbewilligung. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 2014;93:41-49.
2.
Otto F. Effekte stationärer Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter und Kinder – Eine kontrollierte Vergleichsstudie. Rehabilitation. 2014;52:86-95.
3.
Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4. Aufl. Basel, Weinheim: Beltz Juventa; 2018.