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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Einflussfaktoren für adäquates Sonnenschutzverhalten am Arbeitsplatz – eine qualitative Studie unter Dachdeckern in Bayern

Meeting Abstract

  • Stefanie Ziehfreund - Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, München, Germany
  • Barbara Schuster - Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, München, Germany
  • Tilo Biedermann - Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, München, Germany
  • Alexander Zink - Technische Universität München, Fakultät für Medizin, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, München, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf486

doi: 10.3205/19dkvf486, urn:nbn:de:0183-19dkvf4862

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Ziehfreund et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die ultraviolette (UV-)Strahlung der Sonne gilt als Hauptrisikofaktor für die Entstehung des Keratozytenkarzinoms (KC). Personen in Außenberufen, die bis zu 40 Wochenstunden der solaren UV-Strahlung ausgesetzt sind, haben daher ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko. Zum Schutz der eigenen Gesundheit ist der adäquate Gebrauch von Primärpräventionsmaßnahmen wie Sonnencreme oder Sonnenhut am Arbeitsplatz essential. Trotz der zahlreichen Bemühungen bezüglich Sonnenschutz in den vergangenen Jahren, zeigen Arbeiter in Außenberufen kein adäquates Schutzverhalten. Demnach war es Ziel der vorliegenden Studie, das Sonnenschutzverhalten von Dachdeckern zu verstehen.

Methode: Die bayerischen Dachdecker wurden telefonisch über den Landesinnungsverband Bayrisches Dachdeckerhandwerk rekrutiert. Um mögliche altersspezifische Unterschiede erfassen zu können, wurden männliche Dachdecker aus den Altersgruppen 18-30 Jahre und 50-65 Jahre eingeschlossen. Zwischen Dezember 2017 und Februar 2018 wurden leitfadengestützte Interviews bei den Dachdeckern zu Hause oder am Arbeitsplatz durch einen erfahren Interviewer geführt. Während der Interviews waren keine weiteren Personen anwesend. Die Interviews wurden mit dem schriftlichen Einverständnis der Teilnehmer aufgezeichnet und schließlich wörtlich transkribiert. Angeschlossen an die Interviews wurden vom Interviewer Notizen zum Feldzugang niedergeschrieben. Zur Auswertung des Datenmaterials diente die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Die Datenanalyse wurde mit der Software Atlas.ti Version 8 durchgeführt.

Ergebnisse: In die Studie konnten zehn Dachdecker, je fünf pro Altersgruppe, eingeschlossen werden. Allgemein konnten zwischen den beiden Altersgruppen keine Unterschiede herausgearbeitet werden. Jedoch berichteten Berufsanfänger (≤ 3 Jahre Berufserfahrung) ein schlechteres Sonnenschutzverhalten als Kollegen mit einer mehrjährigen Berufserfahrung. Wesentlichen Einfluss auf diesen Unterschied scheint das am Arbeitsplatz erfahrene Bewusstsein für Sonnenschutz zu haben. Die Teilnehmer äußerten sich zu Abläufen oder Vorgehensweisen, die während der Sommermonate geändert werden (z.B. früherer Arbeitsbeginn). Auch wenn diese Anpassungen überwiegend bedingt durch die Hitze und weniger zur Reduktion der UV-Exposition vorgenommen wurden, dienten sie dem Sonnenschutz. Die unmittelbare Verfügbarkeit von Primärpräventionsmaßnahmen wie Sonnencreme am Arbeitsplatz sowie wiederkehrende direkte Kommunikation und der Informationsaustausch über Sonnenschutz unter den Kollegen wurden als Faktoren identifiziert, die die Einstellung der Dachdecker in Bezug auf den Nutzen von Sonnenschutz beeinflussten und sie wachsamer für sicheres Verhalten machte.

Diskussion: Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten darauf hin, dass das Sonnschutzverhalten von Dachdeckern erheblich vom Ausmaß des erfahrenen Bewusstseins für Sonnenschutz am Arbeitsplatz abzuhängen scheint. Trotz möglicher Limitationen durch Selektions- und Response-Bias werden die vorliegenden Erkenntnisse von früheren Studien, die von Unterstützung für Schutzverhalten am Arbeitsplatz berichteten [1], [2], [3], gestützt. Demnach dürfte das, im Vergleich zu den erfahrenen Kollegen, schlechtere Sonnenschutzverhalten der Berufsanfänger in dieser Studie aus einer fehlenden Unterstützung bzw. mangelnden Bewusstseinserfahrung am Arbeitsplatz resultieren. Zudem berichtete Schilling et al. [3] insgesamt von einem großen Anteil an im Außenberuf tätige Personen in Deutschland, die (nahezu) keine Unterstützung für Sonnenschutz am Arbeitsplatz erfahren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Außenberufsgruppen in Deutschland insgesamt kein adäquates Schutzverhalten aufweisen.

Praktische Implikationen: Die vorliegende Studie macht die Notwendigkeit von am Arbeitsplatz erfahrenem Sonnenschutzbewusstsein durch Faktoren wie unmittelbare Verfügbarkeit von Primärpräventionsmaßnahmen oder Informationsaustausch deutlich. Deshalb sollten zukünftige Präventionskampagnen und Schulungsprogramme besonders der Unterstützung für Sonnenschutz am Arbeitsplatz dienen. Dadurch sollten insbesondere Berufsanfänger auf das Thema Sonnenschutz sensibilisiert werden, damit diese schnellstmöglich adäquates Sonnenschutzverhalten ausüben.


Literatur

1.
Bauer A, Rönsch H, Hault K, Püschel A, Knuschke P, Beissert S. Sun exposure: perceptions and behaviours in outdoor workers. Br J Dermatol. 2014;171(6):1570-2.
2.
Janda M, Stoneham M, Youl P, Crane P, Sendall MC, Tenkate T, Kimlin M. What encourages sun protection among outdoor workers from four industries? J Occup Health. 2014;56(1):62-72.
3.
Schilling L, Schneider S, Görig T, Spengler M, Greinert R, Breitbart EW, Diehl K. „Lost in the sun“ – The key role of perceived workplace support for sun-protective behavior in outdoor workers. Am J Ind Med. 2018;61(11):929-38.