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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Defizite im Mundgesundheitsverhalten und -zustand bei Patienten vor und nach Organtransplantation – Bedeutung und Konsequenzen für die zahnärztliche Betreuung

Meeting Abstract

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  • Dirk Ziebolz - Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Leipzig, Germany
  • Gerhard Schmalz - Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Leipzig, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf485

doi: 10.3205/19dkvf485, urn:nbn:de:0183-19dkvf4856

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Ziebolz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Patienten nach Organtransplantation sind aufgrund ihrer lebenslangen Immunsuppression als infektionsgefährdete Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis anzusehen. Bisher ist allerdings wenig über Mundgesundheitsverhalten sowie dentale und parodontale Situation Organtransplantierter in Deutschland bekannt. Weiterhin ist unklar, inwiefern aktuell eine ausreichende zahnärztliche Versorgung dieser Patienten erfolgt bzw. sichergestellt ist.

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Studien war die komplexe Erfassung der Mundgesundheitssituation von Patienten vor als auch nach Organtransplantation. Darüber hinaus sollten Assoziationen zu Zeit nach Transplantation und immunsuppressiver Medikation sowie zusätzliche Zusammenhänge zu potenziell parodontalpathogenen Bakterien evaluiert werden.

Methode: Im Rahmen von verschiedenen klinischen Querschnittsstudien wurden Patienten vor und nach Lebertransplantation (vor: 35, nach: 75) sowie Lungentransplantierte (n=75) hinsichtlich ihrer Mundgesundheit und ihrem zahnärztlichen Verhalten untersucht.

Auf Grundlage dieser Ergebnisse sollte nun in einer weiteren Untersuchung die Versorgungssituation von Organtransplantierten tiefgründiger evaluiert werden. Vor dem Hintergrund der Forderung einer frühzeitigen zahnärztlichen Sanierung vor und suffizienter Nachsorge nach Transplantation war hierbei insbesondere die Zeit nach Transplantation im Fokus der Auswertung. Hierfür konnten insgesamt 169 Organtransplantierte eingeschlossen und entsprechend der Zeit nach Transplantation in folgende Subgruppen eingeteilt werden: 0-1 Jahr (n=21), 1-3 Jahre (n=39), 3-6Jahre (n=34), 6-10 Jahre (n=39) und < 10 Jahre (n=36). Auch diese Patienten wurden hinsichtlich ihrer Mundgesundheit untersucht.

Weiterhin wurde der Einfluss von Form und Dauer der Immunsuppression auf die Prävalenz ausgewählter parodontalpathogener Bakterien und die parodontale Situation bei insgesamt 169 Patienten nach Organtransplantation evaluiert.

Ergebnisse: Für die Patienten vor und nach Lebertransplantation sowie Lungentransplantierte zeigte sich die Prävalenz moderater bis schwerer Parodontitis im Vergleich zur allgemeingesunden Bevölkerung erhöht. Zudem war das Mundgesundheitsverhalten insgesamt unzureichend, speziell in Bezug auf Interdentalraumreinigung. Die Patienten nach Lebertransplantation wiesen zudem eine hohe Prävalenz von Candida albicans, gefolgt von Candida glabrata auf. Bei der differenzierten Untersuchung bezüglich der Zeit nach Organtransplantation zeigte sich, dass sowohl der parodontale (67-79%) als auch der gesamte zahnärztliche Behandlungsbedarf (72-97%) unabhängig von der Zeit nach Organtransplantation kontinuierlich sehr hoch war. Weiterhin waren Form und Dauer der Immunsuppression mit klinischen und mikrobiologischen Parodontalbefunden assoziiert, insbesondere bei Cyclosporin-A-Medikation.

Diskussion: Aus den Ergebnissen dieser Arbeit lassen sich insgesamt verschiedene Schlussfolgerungen ziehen: Einerseits muss die Versorgungssituation organtransplantierter Patienten zwingend verbessert werden; dabei scheinen die Erstellung verbindlicher Leitlinien als auch die Bildung interdisziplinärer Kompetenzteams aus Fach- und Zahnärzten wesentliche Ansatzpunkte. Hierfür müssen spezifische Versorgungskonzepte erarbeitet und in prospektiven Interventionsstudien validiert werden. Weiterhin scheinen sich aufgrund der Immunsuppression Unterschiede in der Zusammensetzung des parodontalpathogenen Biofilms zu ergeben, deren klinische Konsequenz aktuell noch nicht abgeschätzt werden kann. Zusätzlich resultiert aus der hohen Prävalenz von Candida-Spezies die mögliche Notwendigkeit eines regelmäßigen Pilz-Screenings für Organtransplantierte. Darüber hinaus bedürfen Patienten unter Cyclosporinmedikation besonderer parodontologischer Aufmerksamkeit und Betreuung.

Praktische Implikationen: Die Erstellung und Umsetzung verbindlicher Leitlinien zur zahnärztlichen Betreuung von Patienten vor und nach Organtransplantation scheint erforderlich um eine Verbesserung der aktuellen Versorgungssituation zu erzielen. Hierbei müssen verschiedene Spezifika dieser heterogenen Patientengruppe, insbesondere der Einfluss der immunsuppressiven Medikation berücksichtigt werden.