Artikel
Wie zuverlässig sind selbstberichtete Angaben zum Impfstatus von Medizinstudierenden?
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 2. Oktober 2019 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund: Eine Vielzahl von Studien zum Impfstatus bei medizinischem Fachpersonal basiert auf selbstberichteten Angaben. Diese sind zwar im Vergleich zu Serumbestimmungen oder Impfpassanalysen einfacher zu erheben, jedoch sind methodische Limitierungen durch z.B. Recallbias oder Antwortverhalten gemäß sozialer Erwünschtheit anzunehmen.
Fragestellung: Wie zuverlässig sind selbstberichtete Angaben von Medizinstudierenden zum eigenen Impfstatus?
Methoden: Im Rahmen der allgemeinmedizinischen Seminarreihe an einer deutschen medizinischen Fakultät wurde ein zweiseitiger pseudonymisierter Fragebogen zu Impfstatus und soziodemografischen Merkmalen ohne (T1) und 1 Woche später mit Impfpass (T2) von den Seminarteilnehmern freiwillig ausgefüllt. Es erfolgte der statistische Vergleich der beiden Untersuchungszeitpunkte hinsichtlich Übereinstimmungen/Nichtübereinstimmungen der Angaben. Die Nichtübereinstimmungen wurden auf Unter- und Überschätzungen analysiert.
Ergebnisse: Von 299 in das Seminar Allgemeinmedizin eingeschriebenen Medizinstudierenden, konnten 153 (51,2%) in die Analyse einbezogen werden (vollständige Angaben für T1 und T2, Impfpass bei T2, Pseudonymisierungscode eindeutig zuordenbar). Durchimpfungsraten waren für Mumps, Masern, Röteln (MMR: ≥ 95%) am höchsten, für Hepatitis A und B (HA, HB: 78–79%) und Influenza (24%) am niedrigsten. Die höchsten Übereinstimmungen der Angaben ohne und mit Impfpass ergaben sich mit 92–94% für MMR, die niedrigsten mit 73–77% für Poliomyelitis, Pertussis und HB. HA und Influenza ausgenommen, waren die Angaben eher von Unterschätzungen des eigenen Impfstatus geprägt. Das betraf insbesondere Tetanus, Poliomyelitis, Pertussis und Diphtherie (TPDD), wo 6–14% der Studierenden ihren Impfstatus unterschätzten. Trotz Impfpass gab es Medizinstudierende, die ihren Impfstatus nicht angeben konnten: 5% für HA und 4% für Röteln.
Diskussion: Die Zuverlässigkeit des selbstberichteten Impfstatus variierte je nach Impfindikation. Die zuverlässigste Angabe ergab sich für die Impfindikation Masern. Spätestens seit Bekanntgabe des Nichterreichens des WHO-Ziels der Masern-Eradikation wird die Masernimpfung regelmäßig in der allgemeinen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit thematisiert. Dies könnte – auch bei Medizinstudierenden – das Bewusstsein für die Masernerkrankung und den eigenen Impfstatus erhöht haben. Bezüglich der Impfangaben zu den sog. Kinderkrankheiten neigen einige Medizinstudierende eher zu einer Unterschätzung, d.h. ein etwas besserer Impfstatus kann bei selbstberichteten Impfangaben für die Gesamtgruppe angenommen werden. Dass trotz Nutzung des Impfpasses einige Studierende ihren Impfstatus mit „weiß nicht“ bewerteten, verweist auf möglicherweise unregelmäßig oder unvollständig geführte Impfpässe oder Probleme in der Interpretierbarkeit.
Praktische Implikationen: Selbstberichtete Angaben sind indikationsbezogen mehr (MMR) oder weniger (HA, HB, Influenza) zuverlässig. Durchimpfungsraten sind auch bei der Gruppe der Medizinstudierenden nicht optimal. Die Zuhilfenahme des Impfpass verbessert die Zuverlässigkeit der Daten, dennoch bleiben auch mit dieser Methode Unsicherheiten.