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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Schmerz und Depression als zentrale Einflussfaktoren auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei AltenheimbewohnerInnen

Meeting Abstract

  • Anna Brandauer - Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Austria
  • Stefanie Berger - Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Austria
  • Nicole Freywald - Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Austria
  • Irmela Gnass - Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Austria
  • Patrick Kutschar - Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Austria
  • Denise Seidenspinner - Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Austria
  • Jürgen Osterbrink - Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Austria

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf475

doi: 10.3205/19dkvf475, urn:nbn:de:0183-19dkvf4759

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Brandauer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: AltenheimbewohnerInnen (AHB) sind häufig von chronischen Erkrankungen und Komorbiditäten betroffen, welche für die Betroffenen große Einschränkungen bedeuten. Insbesondere Schmerz hat eine hohe, weiterhin steigende Prävalenz von mehr als 50%. Dieser wurde bereits in vergangenen Studien, wie bspw. von Müller-Schwefe und Überall als zentraler Prädiktor auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQOL) von AHB dargestellt, jedoch ist der Einfluss des Prädiktors Schmerz und weiterer schmerzassoziierter Aspekte unter Berücksichtigung anderer wichtiger Determinanten noch unzureichend beforscht.

Fragestellungen: Die vorliegende Studie nimmt sich dieser Thematik an und untersucht die HRQOL von auskunftsfähigen AHB (MMST (Mini-Mental-Status-Test)>9), die zum Erhebungszeitpunkt von Schmerzen berichten, unter Berücksichtigung folgender Fragestellungen:

1.
Welchen Einfluss haben Schmerzen auf die HRQOL, wenn um andere wichtige Determinanten adjustiert wird?
2.
Welche weiteren bedeutsamen Einflussfaktoren können bezüglich der HRQOL identifiziert werden?

Methode: Die Daten für die Untersuchung der Fragestellungen wurden im Rahmen der cRCT ‚PIASMA‘ (Projekt zur Implementierung eines adäquaten Schmerzmanagements in der Altenhilfe) in 15 zufällig ausgewählten bayerischen Altenheimen erhoben. Die Intervention bestand aus pflegerischen Edukationsmaßnahmen.

Ärztlich bestätigte Diagnosen und soziodemografische Daten wurden der Pflegedokumentation entnommen. Mithilfe des MMST, BPI (Brief Pain Inventory), GDS (Geriatrische Depressionsskala) und EQ-5D-3L (EuroQol) wurden die Phänomene kognitive Beeinträchtigung, Schmerz, depressive Symptome und Lebensqualität von auskunftsfähigen AHB gemessen.

Auswertung: Mögliche, in vergangenen Studien als für die HRQOL relevant dargestellte Prädiktoren wurden in vier inhaltliche Blöcke unterteilt: Schmerzen (Schmerzinterference und -intensität), soziodemografische Daten, schmerzassoziierte Diagnosen, Skalen zur Messung des Grades der kognitiven Beeinträchtigung und depressiver Symptome. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse um den Interventionseffekt der cRCT kontrolliert. Für die Analysen der Phänomene kognitive Beeinträchtigung, Schmerz, depressive Symptome und HRQOL wurden jeweils Scores berechnet. Der Einfluss der insgesamt in fünf Modellblöcken strukturierten Indikatoren auf die HRQOL wurde mittels multipler linearer Regression (OLS) untersucht.

Ergebnisse: Insgesamt konnten 146 AHB mit bis zu moderater kognitiver Beeinträchtigung in die Analysen eingeschlossen werden. Die Analysen machen deutlich, dass der bereits im nicht adjustierten Modell festgestellte signifikante Einfluss der Schmerzinterference (β=-0,274; p < 0,05) auf die HRQOL auch nach Korrektur um andere relevante Indikatoren bestehen bleibt. Hingegen büßt die Schmerzstärke als im einfachen Modell signifikanter Prädiktor nach Hinzunahme anderer Faktoren seine Signifikanz ein. Im letzten Modell zeigen sich neben der Schmerzinterference auch das Vorhandensein depressiver Symptome (β=-0,348; p < 0,001) und die Anzahl der schmerzassoziierten Diagnosen (β=-0,171; p < 0,05) als einflussnehmend auf die HRQOL. Die HRQOL sinkt mit zunehmender Anzahl depressiver Symptome, zunehmender Anzahl schmerzassoziierter Diagnosen und zunehmender Schmerzinterference. Zudem ist die HRQOL in der Kontrollgruppe signifikant niedriger als in der Interventionsgruppe (β=0.173, p < 0.05). Insgesamt kann das letzte Modell 32% der Varianz erklären.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass Schmerzen und vor allem die daraus hervorgehende Schmerzinterference die HRQOL von AHB signifikant vermindern. Zusätzlich beeinflusst das Vorhandensein depressiver Symptome die Lebensqualität. Untersucht man AHB, die an Schmerzen leiden, auf das Vorhandensein und die Ausgeprägtheit depressiver Symptome, zeigt sich, dass jene AHB, die an Schmerzen leiden, eine signifikant höhere Anzahl an depressiven Symptomen aufweisen als jene ohne Schmerzen (p < 0,001). Dies unterstützt die häufig untersuchte Annahme, dass es sich bei depressiven Symptomen um eine Begleiterkrankung von Schmerz handelt. Somit kann die Abhängigkeit der HRQOL von depressiven Symptomen als weiteres Indiz für die Einflussnahme von Schmerzen auf die HRQOL diskutiert werden.

Praktische Implikation: Ein effektives multiprofessionelles Schmerzmanagement mit Fokus auf Auswirkungen auf alltägliche Aktivitäten der AHB ist somit nicht nur für die Linderung von Schmerzen und der damit einhergehenden Schmerzinterference essenziell, sondern auch für die Verbesserung der HRQOL höchst relevant. Zudem konnte gezeigt werden, dass sich die im Rahmen der Studie ‚PIASMA‘ durchgeführte Intervention positiv auf die HRQOL der AHB auswirkt. Schulungen und Edukationsmaßnahmen für Pflegekräfte zum Thema Schmerz und Schmerzmanagement sollten deshalb auch unter dem Aspekt der Erhöhung der HRQOL in der Pflegepraxis vermehrt integriert werden.