gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Herausforderungen der Rekrutierung von Patienten-Angehörigen-Dyaden am Lebensende

Meeting Abstract

  • Laura Gawinski - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Stephanie Stiel - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Nils Schneider - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Franziska A. Herbst - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf474

doi: 10.3205/19dkvf474, urn:nbn:de:0183-19dkvf4741

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Gawinski et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Rekrutierung von Menschen am Lebensende für Forschungsprojekte ist herausfordernd. Im Projekt „Dy@EoL – Interaktion am Lebensende in Dyaden von Eltern und erwachsenen Kindern“ (2017-2020; BMBF-Förderkennzeichen: 01GY1711) besteht eine besondere Herausforderung darin, dass zwei spezifische Patienten-Angehörigen-Dyaden, 1) schwer erkrankte erwachsene Kinder und ihre Eltern sowie 2) schwer erkrankte Eltern und ihre erwachsenen Kinder, rekrutiert werden sollen. Aus der Reflektion der Erfahrungen aus dem laufenden Projekt sollen förderliche Faktoren identifiziert und Empfehlungen zum Rekrutierungsvorgehen abgeleitet werden.

Fragestellung: Welche Empfehlungen zur Verbesserung der Rekrutierungsstrategie lassen sich durch die Reflektion der Rekrutierungsraten der ersten Projektmonate ableiten?

Methode: Innerhalb des Forschungsprojekts Dy@Eol werden seit Februar 2018 Eltern und erwachsene Kinder beider Dyaden über neun stationäre und ambulante Einrichtungen und Dienste der Hospiz- und Palliativversorgung rekrutiert. Eine erste Kontaktaufnahme zu geeigneten Patienten und Angehörigen verbunden mit der Vorstellung des Projekts erfolgt entweder direkt über das Projektteam oder über den Kooperationspartner. Zusätzlich wurde über Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Pressemitteilung, Patientenuniversität) auf eine Projektteilnahme aufmerksam gemacht. Daten über Rekrutierungsort, Teilnahmemotivation sowie Ausschluss oder Absage von initial geeigneten Personen werden in IBM SPSS Statistics 25 erfasst. Rekrutierungsraten wurden im Projektteam reflektiert und förderliche sowie hemmende Faktoren der Rekrutierung identifiziert.

Ergebnisse: Bis einschließlich Dezember 2018 haben 23 (37,1%) von 62 angefragten Patienten und 11 (33,3%) von 33 angefragten Angehörigen am Projekt teilgenommen. Hiervon nahmen 8 Patienten und Angehörige als Dyade teil (34,4% aller teilnehmenden Patienten bzw. 72,2% aller teilnehmenden Angehörigen). Generell gestaltete sich v.a. die Rekrutierung von Angehörigen herausfordernd. Von den teilnehmenden Patienten schlossen 30,4% die Anfrage ihres Angehörigen aus; als Hauptgrund wurde der Schutz des Angehörigen (77,8%) genannt. Hauptgrund für eine Teilnahme war bei Patienten (39,1%) und Angehörigen (54,4%) die Motivation, zu helfen. Primärer Ablehnungsgrund bei Patienten war der Wunsch nach Ruhe bzw. mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt zu sein (51,4%). Ein zentraler Ablehnungsgrund von Angehörigen war ihre generelle Eingebundenheit (38,5%). Von den Teilnehmenden wurden 95,7% der Patienten und 81,8% der Angehörigen über stationäre Einrichtungen in einer persönlichen Anfrage durch das Projektteam rekrutiert. Ein weiterer Angehöriger (9,1%) konnte über einen ambulanten Hospiz- und Palliativdienst eingeschlossen werden. Für ambulante Hospiz- und Palliativdienste stellte die Projektvorstellung aufgrund kurzer Betreuungen stark symptombelasteter Patienten eine Herausforderung dar bzw. war oftmals nicht möglich. Eine Dyade (12,5% aller Dyaden) konnte über eine Pressemitteilung gewonnen werden.

Diskussion: Durch die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Dyaden war die Berücksichtigung von Einzelteilnahmen sinnvoll. Es ist zu empfehlen, Dyaden gemeinsam anzufragen, da viele Patienten die Anfrage ihrer Angehörigen ausschlossen und die Angehörigen somit nicht erreicht werden konnten. Insgesamt verläuft die Rekrutierung im stationären besser als im ambulanten Kontext. Im stationären Kontext ist es dem Projektteam möglich, die Anfragen persönlich zu stellen. Es war schwierig, durch Öffentlichkeitsarbeit geeignete Patienten und Angehörige zu erreichen. Eine Empfehlung ist daher, Patienten und Angehörige persönlich anzusprechen, auch wenn dies für die Forschenden sehr zeitintensiv ist. Eine finanzielle Entschädigung für die Teilnehmenden wurde überdacht; das Projektteam sah dies jedoch u.a. aufgrund der oben genannten Teilnahmemotivation und Ablehnungsgründe nicht als einen in diesem Projekt potenziell förderlichen Faktor.

Praktische Implikationen: Die Reflektion spezifischer Herausforderungen in der Rekrutierung führte zu einer Anpassung der Rekrutierungsstrategie. Die Gewinnung zusätzlicher ambulanter Rekrutierungspartner, der enge Kontakt zu bestehenden Rekrutierungspartnern und die persönliche Präsenz des Projektteams stellen förderliche Faktoren der Rekrutierung dar. Patienten mit erwachsenen Kindern haben zum Teil ebenfalls hochaltrige Eltern, mit denen sie als Dyade befragt werden können. Dass Patienten möglicherweise in beiden Dyaden-Konstellationen leben, wird bei der Besprechung mit den Kooperationspartnern fokussiert sowie bei der Ansprache von geeigneten Patienten und Angehörigen berücksichtigt. Die Rekrutierung wird bis Ende August 2019 mit den genannten Anpassungen fortgeführt.