gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Rekonstruktion ernährungsbezogener Gesundheitsorientierungen in Ehe- und Lebenspaaren zwischen 50–70 Jahren. Eine qualitative Untersuchung

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Dorothea Wirsching - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Verena Anton - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Liane Schenk - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf471

doi: 10.3205/19dkvf471, urn:nbn:de:0183-19dkvf4714

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Wirsching et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Derzeit stellen die über 65-Jährigen einen Anteil von 21,4 Prozent innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung. In dieser Altersgruppe ist die höchste Prävalenz chronischer Erkrankungen festzustellen. Die Ätiologie dieser Krankheiten ist multifaktoriell, wobei gesunde Ernährung das Auftreten deutlich reduzieren oder verzögern kann. Bisherige Studien zeigen, dass eine solche gesunde Ernährung in den alltäglichen Ernährungspraktiken nur unzureichend umgesetzt wird. Insbesondere dem Sozialgefüge innerhalb der alltäglichen Nahrungswahl kommt eine hohe Relevanz zu. Zudem stellt sich die Laien-Wahrnehmung von gesunder Ernährung als deutlich komplexer dar, als es die natur- und ernährungswissenschaftliche Definition abbildet. Das Gesamtziel der Studie ist die Förderung eines gesunden und aktiven Alterns.

Fragestellung: Diese Studie fokussiert auf die paarbezogenen Gesundheitsorientierungen hinsichtlich der alltäglichen Nahrungswahl. Der Analysefokus liegt in der Rekonstruktion der ernährungsbezogenen Gesundheitsorientierungen von Ehe- und Lebenspartnern zwischen 50 und 70 Jahren. Überdies werden weitere Orientierungen, relevante soziokulturelle Assoziationen und Wechselwirkungen, welche die alltägliche Nahrungsaufnahme ausgestalten, mitidentifiziert.

Methode: Das qualitative Sub-Sample wurde aus dem bestehenden qualitativen Sample von 21 leitfadengestützten Paarinterviews gezogen. Die Analysegrundlage basiert auf 15 leitfadengestützten Interviews von Paaren mit einem Durchschnittsalter von 63 Jahren, welche mittels theoretischem Sampling rekrutiert wurden. Die tonbandprotokollierten Interviews wurden transkribiert und nach der Grounded Theory Methode nach Corbin und Strauß analysiert. Der Analyseprozess wurde mittels Interrater-Codings abgesichert.

Ergebnisse: Über alle Paare des Sub-Samples hinweg manifestiert sich eine Person, der einvernehmlich fundiertere Gesundheitsexpertise innerhalb des Paares zugeschrieben wird. Die Ausgestaltung dieser Rolle ist mit der ernährungsbezogenen Paardynamik assoziiert. Bislang konnten drei verschiedene Paardynamiken innerhalb der Dyaden analysiert werden. Es resultiert ein paarbezogenes Ernährungskonzept, welches durch gemeinsame Grund- und Werthaltungen und externe Einflüsse ausgestaltet wird. Koexistent zu dem paarbezogenen Ernährungskonzept, bestehen originär sozialisierte Ernährungskonzepte, welche sich als sehr robust zeigen. Diese unterliegen Einflüssen, wie der sozialräumlichen Prägung, dem Geschlecht oder der Ursprungsfamilie.

Die identifizierten Aspekte der subjektiv gewerteten gesunden Ernährung, lassen sich überwiegend zu diversen Kochstilen resümieren, welche praktiziert und als gesund erachtet werden. In dem Sub-Sample sind die klassische Hausmannskost, die gut bürgerliche Küche, die Fusionsküche, die improvisierte Küche, die auf gesunde Nahrungsmittel ausgerichtete Küche (Health Food) und die Regionalküche auszumachen.

Diskussion: Die Relevanz von gesunder Ernährung variiert stark zwischen den Paaren. Neben gesunder Ernährung zeigen sich Geschmack, Sättigung und Ästhetik als weitere, möglicherweise konkurrierende Orientierungen der Ernährung. Die identifizierte Rollenverteilung hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Expertise, sollte weiter hinsichtlich handlungsleitender Orientierungen untersucht werden.

Praktische Implikation: Die Studienergebnisse hinsichtlich der Variationen innerhalb der dyadischen Gesundheitskonzepte, können als Ansatzpunkte für zielgruppengerechte Ernährungsinterventionen diskutiert werden. Es könnten typologisierende Items entwickelt werden, anhand derer sich ein spezifisches Angebot an unterschiedlichen Ernährungsinterventionen mit unterschiedlichen Adressaten ergibt. Zudem könnten Ernährungsinterventionen an dem jeweiligen Kochstil anknüpfen, um wirksame Handlungsstrategien hinsichtlich tradierter Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln.