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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Beschreibung der fachärztlichen „Vor-Ort“-Versorgung in deutschen Pflegeheimen. Analysen anhand von Routinedaten der AOK Baden-Württemberg

Meeting Abstract

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  • Frauke Saalmann - AOK Baden-Württemberg, Versorgungsanalyse, Stuttgart, Germany
  • Alexander K. Schuster - UNIVERSITÄTSMEDIZIN Mainz, Augenklinik und Poliklinik, Mainz, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf449

doi: 10.3205/19dkvf449, urn:nbn:de:0183-19dkvf4493

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Saalmann et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Sehbeeinträchtigende Augenerkrankungen, Hörminderungen, Hauterkrankungen wie auch urologische Erkrankungen nehmen mit dem Alter zu. Verschiedene Studien haben aufgezeigt, dass bei Seniorenheimbewohnern eine (fachärztliche) Unterversorgung besteht. Eine neue Gebührenordnungsposition zur Förderung der kooperativen und koordinierten ärztlichen und pflegerischen Versorgung in stationären Pflegeheimen (Anlage 27 zum Bundesmantelvertrag) wurde zum 01.07.2016 zur Verbesserung der Versorgung eingeführt. Ziel dieser Studie ist es, aufzuzeigen, ob es einen Unterschied zwischen Fachärzten der oben genannten Fachrichtungen mit und ohne Abrechnung einer extrabudgetären Vergütung für die Betreuung gibt. Hierzu wurde der Anteil an Seniorenheimbewohnern in Bezug auf die Gesamtpatientenanzahl pro Facharztgruppe betrachtet.

Methoden: Abrechnungsdaten der AOK Baden-Württemberg (AOK BW) des Jahres 2017 wurden für eine deskriptiven Sekundärdatenanalyse genutzt. Die Studienpopulation bildeten alle Versicherten, die am 01.01.2017 bei der AOK BW versichert waren. Fachärzte/Innen mit mindestens 80 behandelten Versicherten im Jahr wurden eingeschlossen. Die Abrechnung des Aufsuchens eines Pflegeheims wurde gemäß Gebührenordnungsposition 37102, 37113 und 01415 analysiert.

Versicherte, die am 01.01.2017 Leistungen der vollstationären Pflege oder der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen erhalten haben, wurden als Pflegeheimbewohnern/Innen definiert. Es wurde die fachärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnern vor (Jahr 2017) und nach der Einführung der genannten Gebührenordnungspositionen (Jahr 2015 als Referenz) mittels Wilcoxon- und Mann-Whitney U-Test verglichen.

Ergebnisse: 1,35% (57.427/4.262.470) aller Versicherten der AOK Baden-Württemberg waren Pflegeheimbewohner.

Die geringste Abrechnungshäufigkeit der Pflegeheimpauschale wurde bei Ärztinnen und Ärzten im Bereich Augenheilkunde gemessen. Hier rechneten von den 866 tätigen Augenärzt/Innen in Baden-Württemberg 16 (1,9%) mindestens für einen Fall eine Betreuung im Pflegeheim im Jahr 2017 ab. In der Hals-Nasen-Ohren Heilkunde lag der Anteil bei 4,4% (24/560), im Bereich Dermatologie rechneten 13,0% (71/548) mindestens einmal eine Betreuung im Pflegeheim ab. Der höchste Anteil an abrechnenden Ärzten wurde im Bereich Urologie gemessen. Hier lag der Anteil bei 36,6% (149/406).

In allen untersuchten Fachdisziplinen wurden signifikante Unterschiede im Anteil der betreuten Pflegeheimbewohner in den Gruppen der Ärzt/tinnen mit Abrechnung der Pflegeheimpauschale im Vergleich zur Gruppe derer, die keine Pflegeheimpauschale abrechneten gemessen: Fachärzte mit Abrechnung der „Vor-Ort“-Pflegeheimpauschale hatten einen um 0,3% bis 1,0% (absolut, p ≤ 0.006) höheren Anteil an Seniorenheimbewohnern unter ihren Patienten

Im Vergleich zu vor der Einführung der Vergütung für die Betreuung im Pflegeheim zeigt sich bei den abrechnenden Fachärzten/innen eine Zunahme der betreuten Pflegeheimbewohner (Augenheilkunde: 0,87% auf 1,23%, p < 0,001; Dermatologen: 1,44% auf 1,77%, p=0,04; HNO-Ärzte: 1,79% auf 2,30%, p=0,07; Urologie: 2,47% auf 2,85%, p < 0,001).

Aber auch bei der Betrachtung aller jeweiligen Fachärzte (unabhängig von der Abrechnung der Vergütungspauschale für Pflegeheimbesuche) zeigt sich über den Zeitverlauf eine Zunahme des Anteils an Pflegeheimbewohnern (Augenärzte: 0,52% auf 0,93%, Dermatologen: 0,69% auf 0,72%, Urologie: 1,56% auf 1,97%, alle p < 0,001), mit Ausnahme der HNO-Ärzte (0,92% auf 0,79%, p < 0,001). Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil an Pflegeheimbewohner an allen Versicherten nur um 0,03% zu.

Diskussion: Die Analyse der Abrechnungsdaten der AOK BW zeigen, dass deutliche Unterschiede in der Abrechnungshäufigkeit der Gebührenordnungsposition zur Förderung der ärztlichen „Vor-Ort“-Versorgung in stationären Pflegeheimen zwischen den Facharztgruppen bestehen. Während nur 2% der Augenärzte in Baden-Württemberg dies abrechneten, waren es in der Urologie 37%.

Eine Begründung für diese Unterschiede könnte im Technisierungsgrad der jeweiligen Fachgruppe liegen, sowie in der Möglichkeit tragbare Untersuchungsgeräte zu besitzen. Zudem zeigt sich über die vier Facharztgruppen hinweg, dass Fachärzte/Innen, die Seniorenheimbewohner vor Ort betreuen, durchschnittlich mehr Seniorenheimbewohner unter ihren Patienten haben. Einschränkend ist anzuführen, dass vermutlich viele Fachärzte/Innen von der Möglichkeit dieser Vergütung keine Kenntnis haben und ein gewisser Anteil dies daher nicht abrechnet. Positiv zeigt sich, dass im Jahr 2017 mehr Pflegeheimbewohner fachärztlich betreut wurden als 2015.