gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Modellierung regionaler Indikatoren für die Evaluation Integrierter Versorgung am Beispiel Gesundes Kinzigtal

Meeting Abstract

  • Annette Ortwein - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und klinische Epidemiologie, Marburg, Germany
  • Claudia Mehl - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Germany
  • Achim Siegel - Universität Tübingen, Instituts für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Patrick Dröge - WIdO – Wissenschaftliches Institut der AOK, Qualitäts- und Versorgungsforschung, Berlin, Germany
  • Christian Günster - WIdO – Wissenschaftliches Institut der AOK, Qualitäts- und Versorgungsforschung, Berlin, Germany
  • Erik Farin-Glattacker - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik (IMBI), Freiburg, Germany
  • Oliver Gröne - OptiMedis AG, Forschung & Entwicklung und Organisation, Hamburg, Germany
  • Peter Ihle - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln, Germany
  • Ingrid Köster - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln, Germany
  • Ingrid Schubert - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln, Germany
  • Dominikus Stelzer - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik (IMBI), Freiburg, Germany
  • Graf Erika - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik (IMBI), Freiburg, Germany
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf443

doi: 10.3205/19dkvf443, urn:nbn:de:0183-19dkvf4432

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Ortwein et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Für das vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss geförderte Projekt „INTEGRAL“ – „10-Jahres-Evaluation der populationsbezogenen Integrierten Versorgung Gesundes Kinzigtal“ (Förderkennzeichen 01VSF16002) wurde innerhalb eines Teilprojektes ein Qualitätsindikatoren-Set (QI-Set) entwickelt. Mittels anonymisierten AOK-Routinedaten sollen für den Zeitraum 2005-2015 zum einen die Qualität der ärztlichen und sektorenübergreifenden Versorgung erfasst und zum anderen der allgemeine Gesundheitszustand durch regionale QI auch im Vergleich zu ähnlichen Regionen beschrieben werden. Nicht alle QI, die für die Beschreibung des Gesundheitszustands erforderlich sind, können mittels GKV-Daten operationalisiert werden. Eine korrekte Interpretation der Analyseergebnisse erfordert jedoch die genaue Beschreibung der Population unter Risiko und der Versorgungsstruktur in den einzelnen Regionen. Hierzu zählen unter anderem die Leistungserbringer (Ärzte/Apotheken/Krankenhäuser/Pflegeeinrichtungen), die Inanspruchnahme von Rettungsdienstleistungen, soziodemographische Faktoren und Bevölkerungsstrukturvariablen. Die Datengrundlage dieser QI muss aus aggregierten Statistiken wie die der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) abgeleitet werden.

Fragestellung: Wie kann die Versorgungsqualität einer kleinräumigen Region unter Berücksichtigung der regionalen Disparitäten der Bevölkerung und der Versorgungsstruktur bewertet werden, ohne QI vor Ort zu erheben oder adjustieren zu müssen?

Wie können großskalige aggregierte Daten für Regionen populationsbezogener integrierter Versorgung genähert werden?

Methode und Ergebnisse: Das kleinräumige Modellieren dieser Daten erfolgt mittels einer Small Area Estimation. Für die Small Area Estimation werden soziodemographische Daten, die auf Ebene des Bundes bzw. der Länder vorliegen, unter Zuhilfenahme von Bevölkerungsschwerpunkten desaggregiert und auf Gemeinde- bzw. Postleitzahlebene umgelegt. Lebenserwartung bei Geburt und häufigste Todesursachen können durch die uns vorliegenden Routinedaten der AOK-Versicherten genauso wenig abgebildet werden wie Gesundheitsstrukturdaten (Anteil Fachärzte, Psychiater/Psychologen, Rettungswachen, Krankenhausbetten, ambulante/stationäre Pflegeinrichtungen); diese müssten durch Einzelabfragen aufwändig händisch eingetragen werden. Durch Verschneidung der aggregierten Zahlen aus der Krankenhausstatistik, dem Ärzteregister und Open Source Daten (unter anderem aus dem Open-Street-Map-Projekt) kann die Verteilungsstruktur genähert werden. Durch dieses Vorgehen können auch Schätzungen der Bevölkerungs- und Versorgungsstruktur außerhalb des jeweiligen Erhebungszeitraums der Grunddaten erfolgen. Hierzu wird die Bevölkerungsfortschreibung des statistischen Bundesamts genutzt. Die Ergebnisse aus der Berechnung der regionalen QI werden in einem Geographischen Informationssystem zusammengefasst und können in der Folge mit den routinedatenbasierten Indikatoren zusammengeführt und kartographisch visualisiert werden. Dargestellt wird ein Versorgungsindex über die Zeit, in den die geschätzte durchschnittliche Anzahl der Leistungserbringer und die Bettenzahl bezogen auf die regionale Bevölkerung eingeht. Die laufenden Berechnungen ermöglichen einen interregionalen Vergleich der Gesundheitsversorgungsstrukturen zwischen der Beispielregion Kinzigtal, strukturell ähnlichen QI-Kontrollregionen sowie Baden-Württemberg. Zudem geben sie Auskunft darüber, ob und unter welchen Umständen eine räumliche Desaggregation bei den genannten Indikatoren notwendig ist. Erste Modellierungsergebnisse zeigen, dass die Erreichbarkeit von Leistungserbringern durch Wegzeiten nach der Anwendung der Small Area Estimation besser abgebildet werden kann.

Diskussion und praktische Implikationen: QI des regionalen Gesundheitszustands, die durch Routinedaten anderweitig nicht abgebildet werden können, können mit Hilfe aggregierter Statistiken geschätzt werden. Hierbei finden jedoch regionale Charakteristika meist keine Beachtung. Durch die Small Area Estimation ist es möglich, auch bevölkerungssensible Schätzungen aus großskaligen Daten abzuleiten. Die kleinräumige Zusammenfassung ist unabhängig von administrativen Einheiten und kann damit auf andere Regionen integrierter Versorgung übertragen werden. Durch die Integration von Versorgungsstrukturdaten können auch andere Versorgungskonzepte evaluiert werden, insbesondere durch einen Vergleich mit Regionen ähnlicher räumlicher Charakteristika. Dieses Verfahren ist nicht mit einer Vollerhebung vor Ort gleichzusetzen, es erlaubt jedoch, Tendenzen zu erkennen. Insbesondere bei einer automatisierten Erhebung der QI ist die Small Area Estimation ein ressourcenschonendes Annäherungsverfahren. Zudem können auch Zwischenzustände geschätzt werden, die besonders bei der Evaluation eines Modellvorhabens hilfreich sind.