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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Der teure Weg zum multizentrischen Ethikvotum

Meeting Abstract

  • Clara Breidenbach - Deutsche Krebsgesellschaft, Zertifizierung, Berlin, Germany
  • Nora Tabea Sibert - Deutsche Krebsgesellschaft, Zertifizierung, Berlin, Germany
  • Simone Wesselmann - Deutsche Krebsgesellschaft, Zertifizierung, Berlin, Germany
  • Christoph Kowalski - Deutsche Krebsgesellschaft, Zertifizierung, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf438

doi: 10.3205/19dkvf438, urn:nbn:de:0183-19dkvf4382

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Breidenbach et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Multizentrische Versorgungstudien, die möglichst große Teile des Bundesgebiets abdecken, sind zur Darstellung regionaler Unterschiede und Besonderheiten von großer Bedeutung. Zur Durchführung einer Studie in Deutschland muss die Studienleitung zunächst ein federführendes Ethikvotum einholen. Ob darüber hinaus weitere berufsrechtliche oder ethische Beratungen erforderlich sind, ist regional uneinheitlich geregelt. Ziel dieser Analyse ist es, einen Überblick über die eingesetzten Ressourcen für die berufsethische und -rechtliche Beratung bei einer multizentrischen Beobachtungsstudie in Deutschland („EDIUM“) zu schaffen. Die Studie wird in 110 Darmkrebszentren aus 15 Bundesländern durchgeführt. Wir wollen damit einen Beitrag für ein zukünftig effizienteres Studienmanagement in der Versorgungsforschung leisten.

Fragestellung: Wie hoch ist der Ressourcenaufwand für multizentrische Versorgungsforschungsstudien in Deutschland, um eine flächendeckende berufsrechtliche und berufsethische Beratung zu erhalten?

Methode: Die zur Beratung in den verschiedenen Institutionen erforderlichen Dokumente wurden dokumentiert und die eingesetzten Ressourcen in den Bereichen Beratungsgebühren, Materialien und Personal für den Zeitraum April 2018 bis März 2019 quantitativ deskriptiv analysiert.

Ergebnisse: Die Studienunterlagen wurden von federführenden Ethikkommission (EK) und zusätzlich von 15 Landesärztekammern (LÄK) und fünf Unikliniken begutachtet.

Bis März 2019 wurden in toto 6.305 Euro Beratungsgebühren von den EK abgerechnet, welche sich aus 970 Euro für die federführende EK, 4.335 Euro für die zweitvotierenden EK der LÄK, 400 Euro für die EK der Unikliniken sowie 600 Euro für die Nachmeldung von StudienärztInnen bei einer der LÄK zusammensetzen. Die abgerechneten Gebühren der einzelnen EK variieren zwischen 50 und 1.400 Euro.

Die Anforderungen für die einzureichenden Unterlagen variierten je nach EK erheblich. Für die größtenteils mehrfach geforderten Ausführung der Antragsunterlagen wurden mindestens 3820 Blatt DIN A 4 Papier gedruckt. Nicht eingerechnet in dieser Aufstellung sind die Antwortschreiben auf die Hinweise der EK und die Druckunterlagen der Studienzentren, die die Beratung eigenständig beantragen mussten (acht Studienzentren).

Das Studienmanagement erstellte das Studienprotokoll, evaluierte zunächst die Anforderungen der EK bei den LÄK, stimmte sich mit den über 100 Studienzentren ab, erstellte und versendete die Unterlagen und bearbeitete die Rückmeldungen der EK. Von April 2018 bis März 2019 wurden für diese Schritte ca. 208 Arbeitsstunden von der Studienleitung aufgewendet. In dieser Zählung nicht eingeschlossen sind die Arbeitsstunden innerhalb der Studienzentren und der einzelnen EK. Die Beratung erfolgte in allen Fällen schriftlich und dauerte durchschnittlich vier Wochen. Acht der 20 lokalen EK gaben Hinweise bezüglich der Studienunterlagen. Zwei Drittel dieser Hinweise der EK überschnitten sich inhaltlich. Konkrete Formulierungsvorschläge waren selten. Zwei Ethikvoten wurden erst nach offiziellem Beginn der Studie erteilt, woraus Verzögerungen für einige Studienzentren resultierten.

Diskussion: Die Beantragung einer flächendeckenden berufsrechtlichen und berufsethischen Beratung für multizentrische Beobachtungstudien ist in Deutschland komplex, teuer und zeitaufwändig. Neben den insgesamt hohen Kosten für die Gebühren verdeutlicht die Analyse die große Gebührenspannweite zwischen den einzelnen EK. Inwieweit sich diese unterschiedlichen Gebühren legitimieren, ist aus den Gebührenbescheiden nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ist der hohe Materialaufwand anzumerken, der eine zusätzliche Belastung für das Studienbudget und nicht zuletzt einen ökologischen Fußabdruck verursacht. Bezüglich des Personalaufwands sollten neben den Arbeitsstunden des Studienmanagements die Arbeitsstunden innerhalb der EK nicht außer Acht gelassen werden. Ein Ethikvotum wurde erst nach Studienbeginn erstellt, da die zuständige EK aufgrund zu hoher Antragszahlen überlastet war.

Praktische Implikationen: Ein bundeseinheitliches Verfahren für die berufsrechtliche und -ethische Beratung für multizentrische Studien könnte den finanziellen, materiellen und personellen Aufwand deutlich reduzieren, den Studienleitung, beteiligte Zentren und EK haben. Im Sinne ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit sollten Online-Verfahren erwogen werden.