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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Interaktion am Lebensende in Dyaden erwachsener Kinder und ihrer Eltern: Ein Scoping Review

Meeting Abstract

  • Franziska A. Herbst - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Stephanie Stiel - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Nils Schneider - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Laura Gawinski - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf435

doi: 10.3205/19dkvf435, urn:nbn:de:0183-19dkvf4352

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Herbst et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit einer alternden Gesellschaft und wachsender Lebenserwartung steigt die Zahl der Eltern, die von einer unheilbaren, lebensbedrohlichen Erkrankung ihres erwachsenen Kindes betroffen sind. Zudem sehen sich erwachsene Kinder mit dem Lebensende ihrer schwerstkranken Eltern konfrontiert. Die beiden unterschiedlichen Dyadenkonstellationen bringen Besonderheiten in der Interaktion mit sich. Nach Kenntnis der Autoren wurde bisher keine systematische Literaturrecherche durchgeführt, die sich gleichzeitig auf die Interaktion sowie die psychosoziale Versorgung und Unterstützungsbedürfnisse dieser beiden Dyaden erwachsener Kinder und ihrer Eltern am Lebensende konzentriert.

Fragestellung: Folgende Forschungsfragen sollen beantwortet werden:

1.
Was ist aus der bestehenden Literatur über die Interaktion zwischen Eltern und erwachsenen Kindern am Lebensende bekannt?
2.
Was erfahren wir aus der verfügbaren Literatur über die psychosoziale Versorgung sowie die Unterstützungsbedürfnisse von Eltern und ihren erwachsenen Kindern am Lebensende?

Methode: Es wurde ein Typ 4 Scoping Review gemäß des methodischen Rahmens von Arksey und O'Malley (2005) durchgeführt. Der Review umfasst Studien aller methodischen Designs. Die Datenbanken PubMed, PsycINFO, CINAHL, Google Scholar und Web of Science wurden von ihrem jeweiligen Erfassungsbeginn bis einschließlich 16. August 2018 durchsucht. Hierzu wurde eine hochsensible Suchstrategie eingesetzt. Eine Handsuche wurde durchgeführt, indem die Literaturverzeichnisse der relevanten Artikel überprüft wurden. Es wurden Studien aufgenommen, die in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht wurden. Alle Materialien wurden mit dem Literaturverwaltungsprogramm EndNote X8 gespeichert. Inhaltliche Schwerpunkte und Schlüsselkonzepte der relevanten Studien wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Zwei Forscherinnen prüften unabhängig voneinander Titel und Abstract 1.832 wissenschaftlicher Arbeiten, von denen 216 Volltexte beurteilt wurden. In die Analyse wurden schließlich 15 Studien eingeschlossen. Eine weitere Studie wurde durch die Handsuche identifiziert. Im Rahmen der Überprüfung wurden sechs Hauptthemen ermittelt:

1.
Beziehung zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern,
2.
Kommunikation zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern,
3.
Beteiligung an der Versorgung,
4.
Nutzen und Belastung durch die geleistete Fürsorge,
5.
Bewältigungsstrategien sowie
6.
Unterstützung und Information für versorgende Angehörige.

Relevante gemischtmethodische Studien sowie Studien, die Ergebnisse aus Deutschland berichten, konnten nicht identifiziert werden. Lediglich zwei Artikel diskutieren in Europa erhobene Daten.

Diskussion: Die Interaktion zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern am Lebensende ist stark geprägt durch innerfamiliäre Kommunikationsmuster sowie die jeweiligen, teils sehr spezifischen, Dyadenkonstellation (z.B. homosexuelle, an AIDS erkrankte Söhne am Lebensende und ihre Mütter). Der Schwerpunkt der relevanten Studien liegt auf den weiblichen Fürsorgenden, d.h. Töchter oder Mütter, die für ihre Eltern oder erwachsenen Kinder sorgen. Die eingeschlossenen Studien fokussieren primär fürsorgende Angehörige, wohingegen sekundär in die Fürsorge eingebundene Angehörige vernachlässigt werden. Entsprechend werden Unterstützungsbedürfnisse eher auf der Grundlage des Status erforscht, den der Angehörige bei der Fürsorge des Patienten einnimmt, als auf Grundlage der Angehörigenbeziehung selbst.

Praktische Implikationen: Die Analyse der eingeschlossenen Studien weist auf Forschungslücken hin. Die Ergebnisse dieses Reviews sind richtungsweisend für die zukünftige Forschung am Lebensende und zeigen, dass Studien notwendig sind, um die Erfahrungen und den psychosozialen Unterstützungsbedarf beider Dyaden zu ermitteln. Aktuell fließen die Erkenntnisse aus dem Review in die gemischtmethodische Studie „Dy@EoL – Interaktion am Lebensende in Dyaden von Eltern und erwachsenen Kindern“ (BMBF-Förderkennzeichen: 01GY1711; Laufzeit: 01.10.2017-30.09.2020) ein, wobei die Besonderheiten der Interaktion in beiden Dyaden untersucht und passgenaue Empfehlungen hinsichtlich psychosozialer Interventionsmaßnahmen abgeleitet werden.