gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Identifizierung von Determinanten für zurückgelegte Wegzeiten und „Bypassing“ in der ambulanten Versorgung – ein Scoping Review

Meeting Abstract

  • Nicole Zander - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg, Germany
  • Jessica Dukart - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg, Germany
  • Neeltje van den Berg - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine (ICM), Greifswald, Germany
  • Jobst Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf432

doi: 10.3205/19dkvf432, urn:nbn:de:0183-19dkvf4322

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Zander et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland ist die flächendeckende medizinische Versorgung zentrales Ziel des Gesetzgebers, das mittels der Bedarfsplanungsrichtlinie in die Praxis implementiert werden soll. Dabei wird zumeist davon ausgegangen, dass Menschen den nächstgelegenen Arzt aufsuchen. Studien konnten allerdings zeigen, dass dies oftmals nicht der Fall ist, sondern Patienten in vielen Fällen weiter entfernte Ärzte aufsuchen. Dieses Verhalten wird auch als „Bypassing“ bezeichnet.

Fragestellung: In diesem Beitrag wird untersucht, wie Patienten ihren Arzt für die regelmäßige ambulante Versorgung auswählen und welche Determinanten die Bereitschaft, den nächstgelegenen Arzt zu umgehen beeinflussen.

Methode: Es wurde ein Scoping Review entsprechend der PRISMA-Erweiterung für Scoping Reviews (PRISMA-ScR) durchgeführt. Dabei wurden drei Datenbanken (PubMed/Medline, ScienceDirect und OvidMedline) durchsucht. Zunächst wurden die Methoden zur Erfassung der zurückgelegten Wegstrecke extrahiert. Zudem wurden Determinanten identifiziert, die die zurückgelegte Wegstrecke direkt beeinflussen. Am Ende wurden alle Determinanten in ein Wirkungsmodell übertragen.

Ergebnisse: Nach Ausschluss von Duplikaten entsprachen 1.308 Artikel den Suchkriterien. Nach der Prüfung des Titels und des Abstracts lagen 48 Artikel für das Volltext-Screening vor. Nach Prüfung der Volltexte auf Zutreffen der Einschlusskriterien wurden 17 Artikel in die Analyse aufgenommen. Die Mehrheit der gefundenen Studien kam dabei aus den USA, zwei Studien waren aus Deutschland. Die meisten Studien verwendeten eine Fragebogenumfrage, teilweise mit einem Instrument zur Präferenzbewertung, z.B. ein Discrete Choice Experiment (DCE) oder eine Conjoint-Analyse. Sieben Artikel befassten sich mit der Wahl eines Hausarztes, wiederum sieben mit der fachärztlichen Versorgung und drei mit Ambulanzzentren. Im Mittelpunkt des entwickelten Modells steht die individuelle „Willingness to go“, d.h. die Bereitschaft der Patienten zusätzliche Distanzen zu akzeptieren. Neben Determinanten wie Erreichbarkeit, Arztdichte und Urbanität spielten dabei auch individuelle Faktoren auf Seiten der Patienten, wie zum Beispiel Mobilitätseinschränkungen, zurückliegende Erfahrungen oder der Arbeitsort eine Rolle. Weiterhin war die Qualität der Versorgung, ausgedrückt unter anderem durch die Spezialisierung des Arztes, das Arzt-Patienten Verhältnis, den Zugang zu bestimmten Therapien und den Behandlungserfolg, ausschlaggebend für die zurückgelegten Wege.

Diskussion: Dieser Überblick beschreibt die veröffentlichte Literatur über die Patientenmobilität und die Determinanten der Arztwahl mit Schwerpunkt auf der regelmäßigen ambulanten Versorgung. Die Ergebnisse unterstreichen, dass sich die Literatur zu Mobilität in der ambulanten Versorgung sehr heterogen darstellt. Diese Vielfalt ergibt sich aus den verschiedenen Gesundheitssystemen, in denen die Studien durchgeführt wurden, aus unterschiedlichen Methoden der Datenerhebung und unterschiedlichen Settings und Patientengruppen. Aus diesem Grunde sind die gefundenen Ergebnisse mitunter schwer zu übertragen und sollten an den Rahmen angepasst werden, in dem eine Studie durchgeführt wird.

Praktische Implikationen: Distanz und weitere systembedingte Faktoren, wie z. B. Wartezeiten, sind wesentliche Elemente im Prozess der Arztwahl und sollten daher sorgfältig erfasst werden. Ideal wäre dafür die Erhebung und Verwendung genauer Adressen und die Berücksichtigung relevanter Transportmittel sowie weiterer in unserem Modell angegebener Determinanten. Neben der Entfernung und dem Zugang sollte bei der Bedarfsplanung auch die individuelle Mobilitätsbereitschaft berücksichtigt werden.