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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Zugang zu medizinischer Rehabilitation im Freistaat Sachsen. Eine retrospektive Sekundärdatenanalyse

Meeting Abstract

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  • Thomas Petzold - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen, Bereich Geschäftsführung, Dresden, Germany
  • Jana Hiebsch - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen, Bereich Geschäftsführung, Dresden, Germany
  • Wibke Klene - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen, Bereich Medizin, Dresden, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf430

doi: 10.3205/19dkvf430, urn:nbn:de:0183-19dkvf4303

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Petzold et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die medizinische Rehabilitation stellt eine wichtige Säule der Gesundheitsversorgung dar. Die Umsetzung von Rehabilitationsleistungen dienen der Verhinderung von Erwerbsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit, der Verbesserung chronischer Krankheiten und Behinderung sowie einer Förderung der beruflichen Wiedereingliederung. Zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfes ist es in Deutschland erforderlich, dass die gesetzlichen Krankenkassen mindestens jeden vierten Antrag für Rehabilitationsleistungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachten lassen. Die Beauftragung erfolgt gemäß dem Wohnortprinzips des Versicherten, so dass für sächsische Versicherte die Begutachtung durch die ärztlichen Gutachter des MDK Sachsen erfolgt. Die MDK ärztlichen Gutachter agieren bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nach §275 Abs. 5 SGB V unabhängig und sind alleinig ihrem Gewissen unterworfen, was deren klinische und sozialmedizinische Expertise beinhaltet.

Fragestellung: Das Ziel der Untersuchung ist die Analyse der Prävalenz im Antragsverhalten von Rehabilitationsleistungen, der medizinisch indizierten Rehabilitation im Rahmen der Pflegebegutachtung und deren regionale Häufigkeit in Sachsen.

Methode: Es erfolgte eine retrospektive Sekundärdatenanalyse sächsischer Versicherter des MDK Sachsen für die Jahre 2017 und 2018. Alle Begutachtungsaufträge des MDK Sachsen für die Anlässe Rehabilitation sowie Rehabilitation im Rahmen der Pflegebedürftigkeitsbegutachtung wurden in die Untersuchung eingeschlossen. Die deskriptive Analyse der vorliegenden Daten umfasste die konkrete Fragestellung und das Begutachtungsergebnis sowie die regionale Betrachtung des Antragsverhaltens. Zur regionalen Darstellung und Vergleichbarkeit erfolgten die Ausweisung roher Werte sowie eine Alters- und Geschlechtsadjustierung. Dazu wurden die Kreisdaten der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes des Statistischen Bundesamtes (Stand: 31.12.2017) aus der GENESIS-Datenbank genutzt.

Ergebnisse: Für den Untersuchungszeitraum lagen 35.282 Begutachtungsergebnisse für den Bereich Rehabilitation vor. Darin entfielen 65% (n=23.188) auf weibliche und 35% (n=12.094) auf männliche Versicherte. Das durchschnittliche Alter betrug bei Frauen 53,6 Jahre und bei Männern 59,1 Jahre. Die häufigsten Begutachtungsanlässe umfassten die Erstbeantragung einer stat. Rehabilitation (50%; n=17.818), die Verlängerung einer stat. Rehabilitation (17%; n=6.114) sowie die Erstbeantragung von Leistungen der stat. Rehabilitation nach §40 SGB V (13%; n=4.616). Bei 57% (n=20.024) sah der Gutachter die medizinischen Vorrausetzungen für die Leistungsgewährung als erfüllt an. In 27% (n=9.570) der Aufträge wurden die medizinischen Voraussetzungen als nicht erfüllt bewertet sowie waren bei 16% (n=5.688) die vorliegenden Informationen unvollständig und eine erneute Begutachtung empfohlen. Im Rahmen der regionalen Analyse zeigten sich Unterschiede, die zwischen der kreisfreien Stadt Leipzig mit 53,1 Aufträgen je 100.000 Einwohner und dem Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge mit 137,4 Aufträgen je 100.000 Einwohner variieren. Mit steigendem Alter steigt das Antragverhalten bis zu 295,3 Aufträge je 100.000 Versicherte in der Altersgruppe der 65 bis unter 75jährigen im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge.

Für die Pflegebedürftigkeitsbegutachtung liegen für den Analysezeitraum 220.942 Begutachtungsergebnisse vor, wovon 5% (n=10.116) eine Rehabilitationsempfehlung umfassen. Diese spezifische Begutachtungsempfehlung betraf 65% (n=6.617) Frauen mit einem Durchschnittsalter von 79,2 Jahren und 35% (n=3.499) Männer mit einem Durchschnittsalter von 75,3 Jahren. Am häufigsten wurde eine indikationsspezifische, stationäre Rehabilitationsmaßnahme empfohlen (26%; n=2.667).

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen deutliche regionale als auch altersspezifische Schwankungen im Antragsverhalten von Rehabilitationsmaßnahmen sächsischer Versicherter. Selbst da es sich um eine selektive, nicht weiter quantifizierbare Stichprobe handelt zeigt sich, dass Einflussgrößen existieren, die das Stellen von Anträgen bei Versicherten im Bereich Rehabilitation bedingen.

Der bundesweite Grundsatz "Reha vor Pflege" kommt bei sächsischen Versicherten in jedem 20. Antrag zum Tragen. Inwiefern diese Möglichkeit eines vereinfachten und bedarfsgerechten Zugangs zu Rehabilitationsmaßnahmen genutzt wird, kann anhand der vorliegenden Daten nicht beurteilt werden. Im Vergleich zu bundesweiten Daten besteht in Sachsen eine zehnfach höhere Empfehlungsrate.

Praktische Implikationen: Zur Beurteilung des gesamtgesellschaftlichen Nutzens eines Gesundheitssystems stellt der sozialmedizinische Status der Bevölkerung ein relevantes Bewertungskriterium dar, das auch den Aspekt der Rehabilitation umfasst. Das Linkage der vorliegenden Daten mit weiteren Daten kann einen wichtigen Beitrag zur Bewertung des sozialmedizinische Status und somit zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung leisten.