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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Retrospektive Einzelfallanalyse von Verstorbenen mit primärer und sekundärer Hirnschädigung mit „DSO Transplantcheck für Excel“ – Erfahrungen in der DSO Region Ost

Meeting Abstract

  • Monica Götze - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Germany
  • Konrad Pleul - Deutsche Stiftung Organtransplantation, Region Ost, Leipzig, Germany
  • Albrecht Günther - Universitätsklinikum Jena, Hans-Berger-Klinik für Neurologie, Jena, Germany
  • Daniel Schwarzkopf - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Germany
  • Christa Wachsmuth - Deutsche Stiftung Organtransplantation, Region Ost, Leipzig, Germany
  • Axel Rahmel - Deutsche Stiftung Organtransplantation, Hauptverwaltung, Frankfurt am Main, Germany
  • Martin Brauer - Universitätsklinkum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Germany
  • Michael Bauer - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf407

doi: 10.3205/19dkvf407, urn:nbn:de:0183-19dkvf4076

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Götze et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im internationalen Vergleich liegt die Zahl der Organspender bezogen auf die Einwohnerzahlen in Deutschland schon seit vielen Jahren nur im unteren Mittelfeld, in den letzten Jahren war es, bis zu einem erneuten Anstieg in 2018, zu einem weiteren deutlichen Rückgang gekommen. Als Grund für die niedrigen Spenderzahlen wird häufig die fehlende Zustimmung zur Organspende in der Bevölkerung angegeben, eine systematische Untersuchung zu den Ursachen der niedrigen Organspenderzahlen ist dafür dringend erforderlich.

Fragestellung: In den Jahren 2014 bis 2016 hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) Region Ost (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) in Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Entnahmekrankenhäusern in einem umfangreichen Projekt alle Patientenfälle von Verstorbenen mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung anonymisiert erfasst und in einer retrospektiven Einzelfallanalyse auf die Fragestellung hin untersucht, warum eine Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHA-D) nicht erfolgte. Diese Untersuchung ist hilfreich, ein mögliches Organspenderpotential zu benennen und zu diskutieren.

Methode: Mithilfe des Programmes „DSO Transplantcheck für Excel“ wurden in der DSO Region Ost alle Verstorbenen, bei denen mindestens eine durch die Bundesärztekammer festgelegte ICD-10-Kodierung für eine primäre oder sekundäre Hirnschädigung als Haupt- oder Nebendiagnose bestand, weiter analysiert.

Das Programm selektiert Fälle mit relevanter Hirnschädigung zur weiteren Betrachtung von Patientenfällen mit absoluten Kontraindikationen zur Organspende oder Fällen ohne dokumentierte Beatmungsstunden.

Alle relevanten Fälle werden in einem strukturierten Dialog zwischen Transplantationsbeauftragten oder einen durch diesen benannten verantwortlichen Intensivmediziner des jeweiligen Krankenhauses und einem DSO-Koordinator anonymisiert einer standardisierten Einzelfallanalyse unterzogen. Dabei wurden die Fälle in der Fragestellung kategorisiert, warum eine IHA-D nicht eingeleitet wurde. Weiterhin wurde untersucht, nach welcher Liegedauer die Patienten verstarben, abhängig der ihnen zugeordneten Kategorie der Einzelfallanalyse und der zugrundeliegenden Ätiologie der Hirnschädigung.

Ergebnisse: Die Analyse umfasst aufgrund der umfangreichen Beteiligung von bis zu 128 Krankenhäusern über 20.000 Todesfälle mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung im genannten Zeitraum.

Eine besondere Betrachtung wurde auf Patientenfälle gelegt, bei denen ein irreversibler Hirnfunktionsausfall aus klinischer Sicht möglicherweise bereits eingetreten war. Es wurden weiterhin Gründe erfasst, warum eine IHA-Diagnostik nicht eingeleitet wurde.

Diskussion: Die Zahl der potenziellen Organspender lässt sich in der Region Ost der DSO durch Identifikation aller Patienten, bei denen eine IHA-D indiziert war, relevant erhöhen. Durch die regelhafte Evaluation des Patientenwillens bezüglich einer Organspende vor der Entscheidung zum Therapieabbruch bei neurologisch infauster Prognose ließen sich weitere potenzielle Spender identifizieren. Die Einbindung von Transplantationsbeauftragten und Neurointensivmedizinern in die Betreuung aller Patienten mit akuter, schwerer primärer oder sekundärer Hirnschädigung wäre eine Möglichkeit, prognostische Einschätzungen bezüglich des Eintretens eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zu verbessern.

Praktische Implikationen: Anhand der vorzulegenden Ergebnisse wird deutlich, dass Transplantcheck eine nahezu flächendeckende, vollständige Erhebung aller Verstorbener mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung ermöglicht.

Weiterhin ist festzustellen, dass Transplantcheck ein geeignetes Mittel ist, Schlussfolgerungen auf ein mögliches Organspenderpotential zu treffen und vermutliche Gründe für die niedrigen Organspenderzahlen zu untersuchen. Gleichzeitig wird die Sensibilisierung für potenzielle Organspender in den Krankenhäusern gefördert. Außerdem dient es als Mittel zur Qualitätssicherung und sollte dementsprechend als solches etabliert werden. Das „zweite Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ vom 14.02.2019 tritt Anfang April 2019 in Kraft. Darin ist mit Transplantcheck ein klinikinternes Qualitätssicherungssystem als Grundlage für ein flächendeckendes Spendererkennungs- und Meldungssystem festgelegt worden.