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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Versorgungsqualität in der Diagnostik und Therapie psychischer Komorbidität bei koronarer Herzerkrankung – eine prospektive, multimethodale Querschnittsstudie (MenDis-CHD)

Meeting Abstract

  • Samia Peltzer - Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Köln, Germany
  • Hendrik Müller - Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Köln, Germany
  • Ursula Köstler - Universität zu Köln, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Köln, Germany
  • Katja Blaschke - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln, Germany
  • Frank Schulz-Nieswandt - Universität zu Köln, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Köln, Germany
  • Frank Jessen - Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Köln, Germany
  • Christian Albus - Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Köln, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf390

doi: 10.3205/19dkvf390, urn:nbn:de:0183-19dkvf3906

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Peltzer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Psychische Störungen wie Depressionen und Angststörungen, aber auch kognitive Beeinträchtigungen, sind bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK) weit verbreitet. Diese Komorbidität verursacht viele körperliche Beeinträchtigungen und erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine schlechte Prognose. Aktuelle Richtlinien empfehlen ein Screening und eine angemessene Behandlung der psychischen und kognitiven Komorbiditäten. Inwieweit diese Empfehlungen in der klinischen Praxis in Deutschland tatsächlich umgesetzt werden ist jedoch unbekannt.

Ziele: Dieses Projekt wird insbesondere die Verläufe und die Qualität der Gesundheitsversorgung von KHK-Patienten, die von psychischen und kognitiven Komorbiditäten betroffen sind, in allen relevanten Gesundheitseinrichtungen untersuchen. Mögliche Barrieren einer richtlinienbasierten Gesundheitsversorgung sollen erkannt und hinsichtlich ihrer zu Grunde liegenden Ursachen analysiert werden.

Methode:

1.
Analyse von Routinedaten aus vier gesetzlichen Krankenkassen zur Ermittlung des Status quo der Epidemiologie und Komorbidität, Ressourcennutzung, Kosten und Verlauf der Versorgung bei Patienten mit KHK, die von psychischen und kognitiven Komorbiditäten betroffen sind.
2.
Quantitative Bewertung patientenbezogener und geschlechtsspezifischer Ergebnisse in Bezug auf gesundheitsbezogene Lebensqualität, Patientenbedürfnisse und -präferenzen bei KHK-Patienten mit und ohne Komorbiditäten und deren Angehörige mittels strukturierter Fragebögen.
3.
Quantitative, fragebogenbasierte Bewertung der Einstellungen und Erfahrungen professioneller Gesundheitsdienstleister in Bezug auf die Erkennung und Behandlung von psychischen und kognitiven Komorbiditäten sowie der Einschränkungen und Barrieren im Gesundheitssystem in Bezug auf die Erkennung und Pflege von psychischen und kognitiven Komorbiditäten.
4.
Detaillierte, individuelle qualitative Bewertung der Verläufe und der Betreuung in Bezug auf psychische und kognitive Komorbiditäten bei KHK-Patienten durch persönliche Interviews mit Patienten und deren Angehörigen. Analyse von Wahrnehmungs- und Interpretationsmustern sowie von Geschlechterunterschieden.
5.
Intensive qualitative Bewertung dieser Themen in Fokusgruppen mit Hausärzten, Kardiologen, Mitarbeitern in Rehabilitationszentren und Psychiatern/Psychotherapeuten. Analyse von Wahrnehmungs- und Interpretationsmustern.

(Vorläufige) Resultate:

Quantitativer Teil: Insgesamt wurden 368 Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung in den Standorten (2 Krankenhäuser, 2 Rehabilitationskliniken, 3 kardiologische Praxen) rekrutiert. Auf die Rekrutierungsorte verteilt waren es 107 Patienten in Krankenhäusern, 159 Patienten in Rehabilitationskliniken und 102 Patienten in kardiologischen Praxen. Das durchschnittliche Alter der Patienten in den Krankenhäusern lag bei M=69,88 (SD=10,21), in den Rehabilitationskliniken bei M=57,39 (SD=8,88) und in den kardiologischen Praxen bei M=68,46 (SD=10,50). Insgesamt konnten 112 Frauen und 256 Männer für unsere Studie gewonnen werden. Es befanden sich 127 Patienten im NYHA Stadium 1, 161 im NYHA Stadium 2 und 80 im NYHA Stadium 3. Weiterhin hatten 225 Patienten eine Herzauswurfrate von über 40%, 122 Patienten eine Herzauswurfrate unter 40% und bei 21 Patienten war dieser Status unbekannt (meist aus dem Grund, dass dieser Wert nicht relevant für die aktuelle Untersuchung war). Bezogen auf den HADS Angstwert waren 80 Patienten auffällig oder subsyndromal auffällig – beim HADS Depressionswert 61 Patienten. Insgesamt wurden 74 SKID-I zur weiteren psychologischen Diagnostik abgenommen. Die drei häufigsten psychischen Erkrankungen sind Depression, Anpassungsstörung und Angststörungen. Beim DemTect wurden bei 61 Patienten Abweichungen gefunden (d.h. die Patienten erreichten weniger als 16 Punkte). Es wurde bei 26 Patienten der CERAD abgenommen. Der MiniMental-Statustest wurde sieben Mal durchgeführt. Weitere, spezifischere Analysen und Ergebnisse werden bis zum Kongress vorliegen und dort vorgestellt.

Qualitativer Teil: Es wurden 20 Telefoninterviews mit Patienten und 20 Telefoninterviews mit deren Angehörigen durchgeführt. Es wurden 6 face-to-face Interviews mit Behandlern durchgeführt: mit 3 Allgemeinmedizinern, einem psychologischen Psychotherapeuten und 2 fachärztlichen Psychotherapeuten. Weiterhin wurden 3 Fokusgruppen durchgeführt. Die Befragungen wurden auf Tonband aufgenommen. Die Transkripte werden derzeit codiert sowie einer Inhaltsanalyse unterzogen.

Diskussion: Die (vorläufigen) Ergebnisse von MenDis-CHD deuten darauf hin, dass das Screening und die Behandlung von psychischen und kognitiven Störungen bei Patienten mit KHK, aktuell nicht den empfohlenen Richtlinien entsprechen und die Routineversorgung unzureichend ist. MenDis-CHD zeigt, dass Patienten und Fachärzte die Hausärzte der jeweiligen KHK-Patienten zur Diagnose und Behandlung von psychischen und kognitiven Störungen bevorzugen und für ein erstes Screening heranziehen wollen.