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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Personale und situationale Bedingungen des Belastungserlebens nach Implantation eines Linksherzunterstützungssystems – Ergebnisse einer qualitativen Synthese

Meeting Abstract

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  • Michael Levelink - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung, Nachwuchsgruppe Rehaforschung, Oldenburg, Germany
  • Anna Levke Brütt - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung, Nachwuchsgruppe Rehaforschung, Oldenburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf386

doi: 10.3205/19dkvf386, urn:nbn:de:0183-19dkvf3867

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Levelink et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Aufgrund des technischen Fortschritts und einer zunehmenden Prävalenz der Herzinsuffizienz bei beständiger Knappheit an Spenderherzen haben sich Linksherzunterstützungssysteme (LVAD) mittlerweile für die Versorgung von Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz etabliert. In Deutschland werden jährlich ca. 1.000 LVADs implantiert, mit denen die Patient*innen größtenteils mehrere Jahre leben. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage an Bedeutung, wie die Versorgung der Patient*innen gestaltet werden kann, um zu einer höchstmöglichen Lebensqualität der Patient*innen beizutragen. Aus dem Forschungsstand geht hervor, dass die Lebensqualität nach der Implantation insgesamt gesteigert werden kann, dies interindividuell aber erheblich variiert. Zudem ergeben sich auch erhebliche Belastungen aus der Abhängigkeit von dem Implantat, welches über abdominal austretende Kabel mit externen Akkus und Steuerungseinheiten verbunden bleibt. Welche personalen und situationalen Faktoren aus Sicht der Patient*innen auf dieses Belastungserleben wirken, wurde bislang nur in Teilaspekten einzelner Studien untersucht.

Fragestellung: Ziel des vorliegenden Beitrags ist die Synthese bisheriger Ergebnisse qualitativer Forschung zu personalen und situationalen Faktoren, die aus Patient*innenperspektive das Belastungserleben nach einer LVAD-Implantation beeinflussen.

Methode: Im Mai 2018 wurde unter Berücksichtigung der PRISMA-Checklist eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken MEDLINE, PsychARTICLES, PsychINFO und Scopus durchgeführt. In die qualitative Auswertung wurden Studien eingeschlossen, in denen eine Stichprobe oder eine abgrenzbare Teilstichprobe aus erwachsenen Patient*innen mit Herzinsuffizienz bestand, denen ein Continuous-Flow-LVAD implantiert wurde. Ein weiteres Einschlusskriterium bestand darin, dass Wirkzusammenhänge zwischen personalen oder situationalen Bedingungen und der Lebensqualität von LVAD-Patient*innen mit Methoden der qualitativen Sozialforschung untersucht wurden.

Die Auswertung der qualitativen Studien folgte der thematic synthesis nach Thomas und Harden und wurde computergestützt unter Nutzung der Software MAXQDA vorgenommen. Entsprechend wurden zunächst die Ergebnisteile der einzelnen Artikel, einschließlich der Tabellen und Grafiken, in einem induktiven Vorgehen hinsichtlich der darin beschriebenen Einflussfaktoren kodiert. Die daraus entwickelten Codes wurden in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung der Fragestellung zu deskriptiven Kategorien zusammengefasst, welche die Einflussfaktoren exemplarisch mit den identifizierten Wirkzusammenhängen auf Ebene der einzelnen Studien beschreiben. Diese wurden anschließend zu studienübergreifenden Kategorien zusammengefasst und in einem Kategoriensystem konzeptualisiert.

Ergebnisse: Aus der Suche in den Datenbanken sind 6.388 Treffer hervorgegangen. Nach Entfernen der Duplikate und dem Titel- und Abstract-Screening wurden 17 Volltexte gesichtet, von denen 7 in die qualitative Synthese eingeschlossen wurden. Diese beziehen sich auf 5 unabhängige Stichproben, von denen zwei quer- und drei längsschnittig befragt wurden. Die Stichproben umfassen zusammengefasst 111 LVAD-Patient*innen, in den einzelnen Studien wurden 9 bis 48 Fälle untersucht. Eine Publikation stammt aus Italien, alle anderen aus den Vereinigten Staaten. Die Auswertung erfolgte mittels grounded theory, thematic analysis, phenomenology und narrativ.

In den Studien werden sehr unterschiedliche personale und situationale Faktoren beschrieben, die aus Perspektive der Patient*innen einen Einfluss auf die Lebensqualität haben. Relevante situationale Faktoren können z.B. die Gestaltung des Versorgungssystems betreffen, wenn Patient*innen von Sorgen berichten, dass Versicherungsleistungen im weiteren Krankheitsverlauf wegfallen könnten oder auch damit zusammenhängen, wie lange das implantierte LVAD bereits etabliert ist. Die personalen Faktoren beziehen sich z.B. auf die Kompetenz im Umgang mit dem LVAD oder auch auf spirituelle Einstellungen.

Diskussion: In den untersuchten Studien werden Einflussfaktoren als relevant identifiziert, die im wissenschaftlichen Diskurs zur Lebensqualität von LVAD-Patient*innen bislang kaum berücksichtigt werden (z.B. Religiosität) und dadurch weiteren Forschungsbedarf implizieren.

Die vorliegende qualitative Synthese gibt zum einen Hinweise zur Interpretation von Ergebnissen quantitativer Studien zu Einflussfaktoren auf die Lebensqualität, zum anderen weitere Faktoren, die in quantitativen Studien genauer untersucht werden sollten.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse des Reviews geben Behandler*innen einen Überblick über Problemlagen von Patient*innen. Mit diesem Wissen können sie individuelle Lebensumstände, entsprechend der Empfehlungen aus dem LVAD-Rehabilitationsstandard, einordnen und stärker in der Behandlung berücksichtigen.