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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Versorgung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen vor und nach Einführung von Medizinischen Zentren (MZEB) (kurz: MeZEB)

Meeting Abstract

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  • Margret Xyländer - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Stiftungsprofessur Rehabilitationswissenschaften I Rehabilitative Versorgungsforschung, Bielefeld, Germany
  • Thorsten Meyer - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Rehabilitative Versorgungsforschung, Rehabilitationswissenschaften, Bielefeld, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf385

doi: 10.3205/19dkvf385, urn:nbn:de:0183-19dkvf3859

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Xyländer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert die gleichberechtigte Gesundheitsversorgung von behinderten wie nicht-behinderten Menschen. Es gibt jedoch in der Versorgungspraxis deutliche Hinweise darauf, dass für erwachsene Menschen mit Mehrfachbehinderungen substanzielle Probleme in der gesundheitsbezogenen Versorgung existieren. Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres stehen Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) Kindern und Jugendlichen mit frühkindlichen und angeborenen Behinderungen zur Verfügung. Mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter brechen diese Versorgungseinrichtungen für die Betroffenen und ihre Angehörigen weg. Dieser Versorgungslücke ab dem 18. Lebensjahr begegnete der Gesetzgeber im Juli 2015 mit der Einführung des § 119 c SGB V, der die ambulante Behandlung durch Medizinische Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderungen (MZEB) ermöglicht. Bisher wissen wir nur sehr wenig über die Bedeutung dieser neuen Versorgungsform für die gesundheitliche Versorgung der Betroffenen, deren Angehörigen bzw. Zugehörigen, oder auch für die in und mit diesen Einrichtungen arbeitenden Professionellen. Die Studie begleitet die Einführung zweier MZEB wissenschaftlich und wird aus Mitteln des Innovationsfonds finanziert.

Fragestellung: Das Forschungsprojekt hat zum einen das Ziel, die aktuelle medizinische Versorgung von Menschen mit geistigen oder Mehrfachbehinderungen zu rekonstruieren. Dazu wird die Inanspruchnahme und das Erleben der (Standard-) Versorgung durch die Beteiligten (Betroffene, Angehörige) in den Blick genommen. Zum anderen wird danach gefragt, wie sich diese Versorgung im Zuge der Einführung von MZEB verändert. Hierzu gehören Fragen zum Erleben der Versorgung im MZEB und den dabei erlebten Möglichkeiten und Herausforderungen. Daraus sollen sich Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ableiten lassen. Es wird auch danach gefragt, welche versorgungswissenschaftlichen Erkenntnissen aus den Ergebnissen gewonnen werden können.

Methode: Die Mixed-Methods-Studie mit qualitativ-komparativer Hauptstudie gliedert sich in mehrere Teilprojekte. Zunächst werden die bisher in Anspruch genommenen Gesundheitsleistungen und der Gesundheitszustand aller neu ins MZEB aufgenommenen Patient*innen mittels standardisierter Fragebögen erfasst und deskriptiv ausgewertet. Anschließend werden vertiefende leitfadengestützte Einzelinterviews geführt, um die Versorgungserfahrungen von erwachsenen Menschen mit Mehrfachbehinderungen vor Nutzung des MZEB und zu ihren aktuellen Versorgungserfahrungen im MZEB zu rekonstruieren. Dieselben Personen werden 18 Monate später erneut zu ihren Versorgungserfahrungen interviewt. Mit dem gleichen Interviewansatz werden Menschen mit Behinderungen in einer Vergleichsregion zu einem Messzeitpunkt befragt, in der auf absehbare Zeit kein MZEB gegründet werden wird. Die Ergebnisse werden inhaltsanalytisch ausgewertet. Um die Besonderheiten der Versorgung im Rahmen der MZEB abbilden und analysieren zu können, werden in den zwei teilnehmenden MZEB zudem Beobachtungsstudien durchgeführt. Mittels Gruppendiskussionen mit Mitarbeiter*innen der MZEB sollen die berufsgruppenübergreifende Kooperation und Teamarbeit als wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur Regelversorgung analysiert werden. Schließlich werden Expert*innen-Interviews mit einzelnen Akteur*innen, insbesondere mit Personen aus der Leitungsebene, aber auch mit Kooperationspartnern, durchgeführt.

Ergebnisse: Das Projekt ist im Januar 2019 gestartet, im April finden die ersten Erhebungen statt. Die Präsentation dient der Vorstellung und Diskussion des geplanten Studiendesigns.

Diskussion: Die Untersuchung wurde als Mixed-Methods-Studie konzipiert, um vertiefte Einblicke in die medizinische Versorgungslage von Menschen mit Behinderungen als auch in die Wirkweisen der MZEB und ihrer Effekte zu ermöglichen. Der Einsatz von Beobachtungsinstrumenten in den MZEB fand in bisherigen Untersuchungen noch keine Berücksichtigung. Damit wird das Forschungsfeld erweitert, indem erstmalig auf Versorgungssituationen und -leistungen sowie auf Veränderungen für Betroffene fokussiert wird und empirische wie theoriebildende Erkenntnisse zu verschiedenen Aspekten des medizinischen Versorgungssystems gewonnen werden können.

Praktische Implikationen: Diejenigen Professionellen, die aktuell die (Weiter-) Entwicklung eines MZEB planen, werden wertvolle Hinweise für die Planung von Prozessen und notwendige Qualifikationen von Mitarbeiter*innen erhalten. Die Mitarbeiter*innen der MZEB werden aufgrund der kritischen Begleitung ihrer Arbeit wertvolle Hilfe(n) für die Reflektion und Anpassung ihrer konkreten Arbeit erwerben.