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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Was will ich wissen, wenn ich depressive Beschwerden habe? Partizipative Entwicklung einer Rückmeldung nach Depressionsscreening in der Hausarztpraxis

Meeting Abstract

  • Tharanya Seeralan - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Julia Luise Magaard - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Martin Härter - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Cornelia Koschnitzke - Mitglied des partizipativen Forschungsteams, Mitglied des partizipativen Forschungsteams, Hamburg, Germany
  • Michael Scholl - Mitglied des partizipativen Forschungsteams, Mitglied des partizipativen Forschungsteams, Hamburg, Germany
  • Sebastian Kohlmann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Innere Medizin, Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Hamburg, Germany
  • Marco Lehmann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Innere Medizin, Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Hamburg, Germany
  • Marion Eisele - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Germany
  • Lea-Elena Braunschneider - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Innere Medizin, Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Hamburg, Germany
  • Gabriella Marx - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Germany
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Germany
  • Bernd Löwe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Innere Medizin, Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Hamburg, Germany
  • Anna Levke Brütt - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung, Oldenburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf384

doi: 10.3205/19dkvf384, urn:nbn:de:0183-19dkvf3841

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Seeralan et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Patientenbeteiligung wird in der Versorgungsforschung zunehmend gefordert. Patienten/-innen können mit ihrer Erfahrung und Expertise in einzelnen Forschungsphasen beraten (consultation), kontinuierlich im Forschungsteam mitarbeiten (collaboration) oder Forschung initiieren und durchführen (control). Häufig ist aber unklar, wann eine Beteiligung sinnvoll ist, wie sie systematisch durchgeführt und evaluiert werden sollte. In dem vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Projekt GET.FEEDBACK.GP (Förderkennzeichen: 01VSF17033) wird die Wirksamkeit einer schriftlichen Rückmeldung für Patient/-innen nach einem Depressionsscreening mit dem Patient-Health-Questionnaire (PHQ-9) in der Hausarztpraxis in einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) überprüft.

Fragestellung: Ziel der Patientenbeteiligung in GET.FEEDBACK.GP ist es, gemeinsam mit Patienten/-innen die Rückmeldung durch eine systematische Beteiligung im Rahmen a) eines partizipatives Forschungsteams und b) von Workshops (WS) bedarfsgerechter und anwendungsfreundlicher zu gestalten. Zudem sollen Prozess und Outcome der Beteiligung evaluiert werden.

Methode: Die partizipative Entwicklung der Rückmeldung wurde auf den Ebenen collaboration, durch den kontinuierlichen Einbezug eines partizipativen Forschungsteams mit 2–3 ehemals Betroffenen und Forscher/-innen, sowie consultation, durch Workshops mit Patienten/-innen, umgesetzt. Das partizipative Forschungsteam entwickelte in zehn Treffen drei WSs, führte sie durch und wertete sie aus. Die Bedarfe an eine Rückmeldung nach PHQ-9 wurden mithilfe einer Fokusgruppe ermittelt (WS 1) und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die induktiv-deduktiv abgeleiteten Empfehlungen für die Rückmeldung wurden von den Teilnehmenden hinsichtlich ihrer Wichtigkeit priorisiert und für die Diskussion und Bewertung der Entwürfe herangezogen (WS 2). Anschließend wurden zwei Prototypen der Rückmeldung mit Cognitive Debriefings erprobt und evaluiert (WS 3). Die Ergebnisse wurden für die Ableitung von inhaltlichen Empfehlungen und Gestaltungshinweisen verwendet. Die WSs und die Arbeit im partizipativem Forschungsteam wurden mit einer adaptierten Kurzskala zur Lehrevaluation und der deutschen Version des Public and Patient Engagement Evaluation Tools (PPEET) evaluiert. Die Kommunikation der Ergebnisse auf Projektebene erfolgte durch Forscher/-innen des partizipativen Forschungsteams.

Ergebnisse: Es wurden N=12 gezielt gesampelte Patienten/-innen eingeschlossen, die in der Vergangenheit oder aktuell an Depressionen litten und zwischen 24–81 Jahre alt waren. Pro WS nahmen 6 bis 9 Personen teil – n=6 davon an mindestens zwei WSs. Die Empfehlungen für eine Rückmeldung betrafen folgende Themen: Ergebnisrückmeldung, Handlungsempfehlungen, Sprache und Formulierung, Informationen über Depression, Hilfsangebote und Grafik. Teilnehmende wünschten sich eine schriftliche Rückmeldung, die kurz, leicht verständlich, wertschätzend und de-stigmatisierend formuliert ist, zu einem direkten Gespräch mit Hausarzt/-in anregt und Hinweise über nächste Schritte enthält. Ferner wurden die Auswirkung durch Prävalenzangaben und diagnosenahen Formulierungen, patienten-relevante Aufklärung über Depression und weiterführende Kontaktadressen kritisch diskutiert. Teilnehmende bewerteten Umfang, Inhalte und Struktur der WSs als angemessen und sinnvoll. Der Raum für Austausch und die Moderation durch ehemals Betroffene wurden geschätzt. Aus Betroffenensicht wurden im partizipativen Forschungsteam eigene Ansichten gehört sowie auf Augenhöhe zusammengearbeitet.

Diskussion: Basierend auf Erkenntnissen der Patientenbeteiligung wurde die Rückmeldung für die GET.FEEDBACK.GP Studie hinsichtlich Auswahl, Inhalte und Formulierungen der Textbestandteile sowie Gestaltung grafischer Elemente angepasst. Durch gezieltes Sampling konnten Perspektiven von Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen mit Depression und Versorgungssystem sowie Alter und Geschlecht berücksichtigt werden. Hervorzuheben sind außerdem die Patientenbeteiligung auf zwei Ebenen, partizipative Moderation der WSs und qualitative Methodenvielfalt. Das evaluierte Beteiligungskonzept kann bei der zukünftigen Ent- und Weiterentwicklung von Interventionen eingesetzt werden. Beim Sampling der Patienten/-innen konnten aus methodischen und ethischen Gründen, Personen ohne Wissen über eigene depressive Beschwerden nicht miteinbezogen werden. Hinsichtlich der Umsetzung der Ergebnisse der Patientenbeteiligung ist anzumerken, dass auch weitere Faktoren (z.B. Bedingungen des RCTs) bei der Gestaltung der Rückmeldung eine Rolle spielten.

Praktische Implikationen: Partizipative Forschung ermöglicht Patientenbedarfe direkt in Interventionen einzubinden und somit deren Effektivität zu verbessern. Evaluierte Beteiligungskonzepte sind für Förderer partizipativer Versorgungsforschung unabdinglich. Für jedes Projekt ist abzuwägen, wie die Umsetzung der Ergebnisse der Patientenbeteiligung erfolgen kann.