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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Ambulant-sensitive Krankenhausfälle bei akuten Erkrankungen – Altersverteilung und zeitliche Trends

Meeting Abstract

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  • Lea Leeser - Hochschule Niederrhein, Kompetenzzentrum Routinedaten im Gesundheitswesen, Krefeld, Germany
  • Johannes Pollmanns - Hochschule Niederrhein, Kompetenzzentrum Routinedaten im Gesundheitswesen, Krefeld, Germany
  • Saskia Drösler - Hochschule Niederrhein, Kompetenzzentrum Routinedaten im Gesundheitswesen, Krefeld, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf379

doi: 10.3205/19dkvf379, urn:nbn:de:0183-19dkvf3796

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Leeser et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Als ambulant-sensitive Krankenhausfälle (ASK) werden Hospitalisationen bezeichnet, welche bei adäquater ambulanter Versorgung potentiell vermeidbar gewesen wären. Die Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) nutzt bevölkerungsbezogene ASK-Raten als Indikatoren zur Beurteilung der ambulanten Versorgung hinsichtlich Qualität und Zugang. Das Indikatorenset der Prevention Quality Indicators (PQI) beinhaltet dabei auch akute Erkrankungen, die in Deutschland bisher unzureichend untersucht worden sind.

Fragestellung: Ziel der Untersuchung war die geschlechts- und altersspezifische Deskription der Indikatoren „Dehydration Admission Rate“ (PQI 10), „Community-Acquired Pneumonia Admission Rate“ (PQI 11) sowie „Urinary Tract Infection Admission Rate“ (PQI 12) sowie die Betrachtung der Raten im Zeitverlauf.

Methode: Datengrundlage sind die beim statistischen Bundesamt vorliegenden Tiefgegliederten Diagnosedaten der Krankenhauspatientinnen und -patienten. Vorlage zur Fallselektion waren die in den Spezifikationen der AHRQ angegebenen und nach ICD-10 GM transformierten Hauptdiagnosekodes. Berücksichtigt wurden alle Krankenhausfälle im Alter ab 20 Jahren in den Datenjahren von 2009 bis 2017. Zur Herstellung eines Bevölkerungsbezuges wurden Daten der Genesis-Datenbank verwendet. Der zeitliche Trend wurde mittels linearer Regression analysiert.

Ergebnisse: Der PQI 10 zeigt im Datenjahr 2017 bei Männern eine bevölkerungsbezogene Rate von 114,6 Fällen pro 100.000 Einwohner (Frauen: 224,0). Bei PQI 11 sind bei Männern 396,2 Fälle pro 100.000 Einwohner (Frauen: 292,1) zu verzeichnen. Die Rate für PQI 12 liegt in der männlichen Population bei 222,4 Fällen pro 100.000 Einwohner (Frauen: 311,6).

Alle Indikatoren zeigen bei beiden Geschlechtern eine statistisch signifikante Zunahme in der Zeitreihe von 2009 bis 2017. Die mittlere jährliche Veränderung (Regressionskoeffizient b = Veränderung der Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr) beträgt bei PQI 10 b = 8,5 (Männer) bzw. b = 10,3 (Frauen), bei PQI 11 b = 7,3 (Männer) bzw. b = 4,7 (Frauen), sowie bei PQI 12 b = 9,8 (Männer) bzw. 9,0 (Frauen). Während Männer bei den Krankenhausfällen bei Pneumonie (PQI 11) in allen Jahren höhere Raten aufweisen, sind die Aufnahmeraten bei Dehydration und Harnwegsinfektionen in der weiblichen Population in allen Datenjahren größer.

Die Altersverteilung zeigt sowohl bei PQI 10 als auch bei PQI 11 eine zunehmende Rate an Aufnahmen mit steigendem Alter, wobei die höchsten Raten in der Altersgruppe der 75-Jährigen und älter zu erkennen sind. Die Rate der Krankenhausfälle bei Dehydrationen liegt bei den 65- bis 74-jährigen Männern bei 164,4 Aufnahmen pro 100.000 Einwohner (Frauen: 135,3), steigt allerdings bei den über 74-Jährigen auf 928,4 pro 100.000 Einwohner (Frauen: 1202,4) an. Während die Raten der Harnwegsinfektionen bei Frauen in jüngeren Altersgruppen höher sind als die Raten der männlichen Population, kehrt sich dieses Verhältnis in der Bevölkerung ab 60 Jahren um (älter als 74 Jahre: 1096 Fälle je 100.000 Einwohner bei Männern bzw. 1032 Fälle je 100.000 Einwohner bei Frauen).

Diskussion: Die geschlechtsübergreifenden Raten des Jahres 2016 zeigen in Deutschland bei allen Indikatoren höhere Ergebnisse als die nationalen Raten der USA. Die Zunahme der Raten lassen möglicherweise auf im zeitlichen Verlauf ansteigende Qualitäts- oder Zugangsprobleme in der ambulanten Versorgung schließen. Während der Anstieg der Rate der ambulant erworbenen Pneumonien auf Defizite bei Pneumokokken-Impfungen hinweisen könnte, sind die Krankenhausfälle bei Harnwegsinfektionen aufgrund der Bedeutung einer zeitnahen Behandlung dieser Erkrankung vor allem im Hinblick auf die Zugänglichkeit zu interpretieren. Zur weitergehenden Klärung sollten jedoch die regionalen Angebotsstrukturen vertiefend betrachtet werden. Die extrem hohen Raten der Hochbetagten reflektieren zum einen ein höheres Risiko, könnten aber auch auf Versorgungsprobleme in der stationären Pflege hinweisen. Zukünftige Analysen sollten insbesondere jene Patienten mit Dehydrationen betrachten, welche in einem Pflegeheim leben. Der Einfluss potentieller Determinanten wie Struktur und Qualität der stationären Pflege ist zu prüfen.

Praktische Implikationen: Steigende Aufnahmeraten im zeitlichen Verlauf sowie besonders hohe Raten bei über 74-Jährigen zeigen die Relevanz ambulant-sensitiver Krankenhausfälle bei akuten Erkrankungen sowie die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verbesserung von Zugang und Qualität der ambulanten Versorgung bei diesen Krankheiten.