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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

ZWEIT – Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse von medizinischen Zweitmeinungsverfahren in Deutschland

Meeting Abstract

  • Dunja Bruch - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Versorgungsforschung, Neuruppin, Germany
  • Susann May - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Germany
  • Sonja Mählmann - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Versorgungsforschung, Neuruppin, Germany
  • Barbara Prediger - Universität Witten/Herdecke, IFOM - Institut für Forschung in der Operativen Medizin, Köln, Germany
  • Nadja Koensgen - Universität Witten/Herdecke, IFOM - Institut für Forschung in der Operativen Medizin, Köln, Germany
  • Dawid Pieper - Universität Witten/Herdecke, IFOM - Institut für Forschung in der Operativen Medizin, Köln, Germany
  • Sebastian von Peter - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Versorgungsforschung, Neuruppin, Germany
  • Cecile Ronckers - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Versorgungsforschung, Neuruppin, Germany
  • Thomas Zahn - AOK Nordost – Die Gesundheitskasse, Gesundheitswissenschaftliches Institut Nordost (GeWINO) der AOK Nordost, Potsdam, Germany
  • Julia Neuwirth - AOK Nordost – Die Gesundheitskasse, Gesundheitswissenschaftliches Institut Nordost (GeWINO) der AOK Nordost, Potsdam, Germany
  • Jan-Christoph Loh - Medexo GmbH, Geschäftsführung, Berlin, Germany
  • Edmund A. M. Neugebauer - Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, keine, Neuruppin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf378

doi: 10.3205/19dkvf378, urn:nbn:de:0183-19dkvf3785

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Bruch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom Juli 2015 (§ 27b SGB V) ist der Anspruch auf Zweitmeinung (ZM) gesetzlich verankert. Die Verfahrensregeln für die ZM hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einer Richtlinie vom 21. September 2018 konkretisiert. Gesetzlich versicherte PatientInnen haben seither einen Rechtsanspruch auf eine unabhängige ärztliche ZM bei bestimmten planbaren Eingriffen wie Tonsillektomie und Tonsillotomie sowie Hysterektomie. Künftig hat der/die indikationsstellende Arzt/Ärztin PatientInnen über ihr Recht auf ZM aufzuklären. Die/der PatientIn wird auf die eingriffsspezifischen Entscheidungshilfen hingewiesen, die das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des G-BA entwickelt. Das Angebot von ZM-Verfahren ist in Deutschland zunehmend und durch Insellösungen sehr heterogen.

Fragestellung: Vorrangiges Ziel des Projektes ist es, valide Kriterien für ZM-Verfahren zu entwickeln, die den Bedürfnissen der PatientInnen entsprechen, die Gesundheitskompetenz steigern und zur informierten Entscheidungsfindung beitragen.

Methode: Die Studie gliedert sich in zwei aufeinander aufbauende Module:

1.
Bestandsaufnahme von ZM-Verfahren mit schriftlichen Befragungen und Interviews,
2.
Bedarfsanalyse mit quantitativen und qualitativen Methoden (schriftlichen Befragungen, Interviews, Fokusgruppen, teilnehmende Beobachtungen).

Im Modul 1 werden gesetzliche (n=109) und private (n=52) Krankenversicherungen sowie Anbieter von ZM-Verfahren befragt.

Im Modul 2 wird zunächst eine repräsentative Befragung in der Allgemeinbevölkerung (Zielgröße n=2000) durchgeführt. Im Weiteren werden spezifische PatientInnengruppen befragt:

1.
Personen, die von einem/einer niedergelassenen Facharzt/Fachärztin eine OP-Indikation erhalten (n=400),
2.
Personen, bei denen innerhalb des letztes Jahres eine Tonsillektomie/Tonsillotomie oder Hysterektomie vorgenommen wurde (n=450),
3.
Personen nach telekonsiliarischer ZM (n=400) sowie
4.
Mitglieder von Selbsthilfegruppen, niedergelassene FachärztInnen und VertreterInnen von Fachgesellschaften.

Die Daten aus den standardisierten Fragebögen werden deskriptiv mittels Regressionsanalysen ausgewertet. Darüber hinaus werden bei allen Patientengruppen sowie den Selbsthilfegruppen und ÄrztInnen problemzentrierte Interviews und Fokusgruppen durchgeführt. Die Auswertung der qualitativen Daten erfolgt mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse, die eine regelgeleitete Extraktion relevanter Bedeutungsdimensionen erlaubt.

Erwartete Ergebnisse: Das Projekt wird wichtige Erkenntnisse zur derzeitigen Umsetzung von ZM-Verfahren liefern. Insbesondere werden im Rahmen der Bestandsanalyse Informationen bezüglich der Umsetzbarkeit von ZM-Verfahren erhoben und die aktuelle Versorgungssituation kann entsprechend beurteilt werden. Darüber hinaus werden aktuelle Informationen zum Inan-spruchnahmeverhalten von ZM-Verfahren erhoben. Das Projekt wird relevante Erkenntnisse liefern, wie PatientInnen den Beitrag der ZM zu einer informierten Entscheidungsfindung erleben und welche Ansprüche an die Gesundheitskompetenz der PatientInnen ein ZM-Prozess stellt. Es werden Kriterien für ZM-Verfahren identifiziert, die den Bedürfnissen der PatientInnen entsprechen.

Diskussion: Es wird angenommen, dass durch ungleiche Versorgungssituationen in Ballungsräumen, strukturschwachen und ländlichen Regionen die Inanspruchnahme einer ZM erschwert wird. Durch eine telemedizinische bzw. telekonsiliarische ZM kann die ländliche Unterversorgung jedoch überbrückt werden und PatientInnen können vermehrt eine ZM in Anspruch nehmen. Zugleich birgt die Digitalisierung die Chance, in einem eigenen Netzwerk Expertenmeinungen auszutauschen, um über die beste Lösung für die PatientInnen zu befinden. ZM-Verfahren stellen im günstigsten Falle eine Methode zur Sicherstellung evidenzbasierter Medizin dar und leisten damit einen Beitrag zur Qualitätssicherung, zur Patientensicherheit und bedarfsgerechter Versorgung.

Praktische Implikationen: Die gewonnenen Erkenntnisse sollen Grundlage für die Weiterentwicklung der bestehenden Versorgung und Etablierung neuer ZM-Verfahren in den Krankenkassen sein. Das Projekt soll weiterhin ein telekonsiliarisches ZM-Programm im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie als neue Versorgungsform besonders in ländlichen Gebieten mit geringer Haus-arzt/Facharztdichte vorbereiten. Die Studie geht damit weit über den in § 10 Abs. 3 der Zm-RL (Evaluation) hinaus und soll eine Grundlage für das vom G-BA beschlossene Evaluations-Rahmenkonzept darstellen.